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Mit Nackten Haenden

Titel: Mit Nackten Haenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simonetta Greggio
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genug angezogen«; »Du gehst zu viel aus, du trinkst zu viel, du rauchst zu viel« - waren mir lästig.
    Im Mai war ich krank geworden. Eine schwere Grippe, die sich ewig in die Länge zog. Mit letzter Kraft hatte ich mich zu ihnen geschleppt, war in meinem alten Zimmer aufs Bett gefallen und eingeschlafen, gewiegt von den Sonaten, die Mama leise spielte. Als ich zwölf Stunden später aufwachte, stand auf meinem Nachttisch ein kleines Silbertablett mit einer Tasse schwarzem Kaffee. Nach meiner Genesung ließ ich mich noch eine Weile hätscheln und bemuttern. Auf diese Weise verbrachte ich zehn Tage Ferien.
     
    Seitdem ich ganz in der Nähe des Zoos von Vincennes ein günstiges Mansardenzimmer gefunden hatte, war mein Leben anders. Davor hatte ich auf dem Hochschulgelände gewohnt, aber das fühlte sich komisch an. Ich lebte nicht gern mit so vielen anderen unter einem Dach. Ich fand es beengend, Tag und Nacht mit meinen Kommilitonen zusammen zu sein. Nun musste ich nur
die Seine überqueren, um mich in die eigenen vier Wände zu flüchten, auch wenn mein wahres Zuhause immer noch das Haus meiner Eltern war. Diesen schmucklosen Kasten, den sie Ende der Fünfzigerjahre mit Mamas dürftigem Erbe gekauft hatten, liebte ich auf ganz kindliche Art. Der Pariser Lärm kam in Wellen dort an, wurde vom winzigen Garten aufgefangen und vom Efeu, der das Haus vollständig überwucherte, gefiltert. Ich konnte stundenlang am Wohnzimmerfenster sitzen und ins Leere schauen. Ein Ast, der seinen Schatten auf die Fassade warf, eine lose baumelnde Efeuranke genügten, um mich in einem Schwebezustand zu halten - einer solch intensiven Gelassenheit, dass ich mich eine Zeit lang vergaß und jede Sorge los war. Diese Fähigkeit, mich von meiner unmittelbaren Umgebung zu lösen, um ein winziges Glück auszukosten, ist mir seither erhalten geblieben. Vielleicht bin ich deshalb später nie in Verzweiflung geraten. Ich konnte mich nach Belieben in diesen Zustand leicht autistischen Friedens versetzen und die Goldberg-Variationen heraufbeschwören, die Mama so oft spielte.
    Das Haus, mein Haus. Diese lieb gewonnenen, oft gebrauchten Wörter werden für mich immer die Gestalt der grauen, sauberen Einrichtung haben, des alten, unzählige Male renovierten Gemäuers, am Stadtrand aufragend, wie man am Meeresufer steht oder am Rand der Wüste. Einer Insel gleich oder einer Oase. Eine Zuflucht, die ich tief in mich geborgen und aufbewahrt habe.

     
    Ich stehe auf, dehne und strecke mich. Gedämpft hallen meine Schritte im Raum. Die Nacht dringt durch das Fenster, rau und belebend breitet sie sich im Zimmer aus, getragen vom Duft frisch gefallenen Laubs, vom überwältigenden Geruch feuchter Torferde. Ich setze mich wieder hin, im Schneidersitz, die Decke über die Schultern geworfen, wie ein Indianerhäuptling vor seinem Feuer. Statt einer Friedenspfeife zünde ich mir eine Zigarette an.
    Ich denke an den Sommer zurück, als ich fünfundzwanzig war, an diesen Jungen, der sich an mich heranpirschte, an seine dunklen Augen, seine Haare, die zu lang waren. Mit einer Gruppe Jurastudenten kam er ins Café und führte mit ihnen stundenlange Diskussionen. An einem Abend waren sie laut geworden. Einer von seinen Freunden hatte ihn als Bolschewiken verspottet, als verspäteten Kommunisten. Ich hörte seinen Namen, Raphaël.
    Dann dieses erste Mal, die brennende Hitze im Mansardenzimmer, die voll aufgedrehte Duschbrause, das Bedürfnis nach ein wenig Erfrischung. Er hatte mich kalt erwischt, als er mich vollständig bekleidet unter die Brause stieß, dann stellte er sich ebenfalls darunter, um mir einen innigen Kuss zu geben, der nicht enden wollte. Als ich mich zu befreien versuchte, verlor ich das Gleichgewicht. Er hielt mich fest. Schwarzer Samt kräuselte sich vor meinen Augen. Er bückte sich, kniete sich vor mich hin und öffnete den Reißverschluss meiner Jeans. Ich half ihm nicht, als er sie mir von den Hüften streifte. Ganz leise bat er mich, erst den einen, dann den
anderen Fuß zu heben, und warf die klatschnasse Jeans aus der Dusche, während er aufstand. Danach entledigte er sich auf einen Schlag seiner Jeans und seiner Unterhose, ohne dass ich mich zu rühren wagte. Als ich die Augen aufschlug, betrachtete ich seinen aufgerichteten Penis unter dem dunklen Schamhaar, die weißhäutige Leistengegend, seinen sonnengebräunten Bauch, das T-Shirt, das an seiner Brust klebte, die schwarzen feuchten Haare, die ihm verheddert ins Gesicht hingen, die

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