Mit Nackten Haenden
Und du?«
»Mit meinen kleinen Schwestern Kuchen backen. Und was hasst du am meisten?«
»Kurze Socken … ich meine, kurze Herrensocken.«
»Echt? Das hasst du am meisten?«
»Am meisten hasse ich weiße kurze Herrensocken.«
»Komm schon, Emma, raus mit der Sprache. Was du wirklich am meisten hasst.«
»Weiße kurze Herrensocken, die zu Mokassins mit Troddeln getragen werden.«
»O … stimmt, das ist so ziemlich das Letzte.«
»Wobei - in Außer Atem trägt Belmondo kurze weiße Socken und ist trotzdem sexy. Egal … Was hasst du denn am meisten?«
»Diese Tussen, die beim Zungenkuss noch einen Kaugummi im Mund haben«, sagte er. »Sie verstecken ihn unter der Zunge, um später weiterzukauen.«
»Ich kannte mal einen Jungen, der sich den Kaugummi hinters Ohr klebte.«
»Echt?«
»Nein, das war gelogen. Was macht dich besonders traurig?«
»Die Hunde und Katzen, die man groß herausputzt, um sie zur Adoption freizugeben, und die dann keiner nimmt. Jetzt bist du wieder dran. Das, was dir am meisten Angst macht.«
»Zu vergessen.«
Gio konnte keinen Augenblick untätig bleiben. Nachdem er die toten Äste abgeschnitten und zersägt, die Garage komplett aufgeräumt, die unteren Fensterläden und die Haustür neu gestrichen hatte, stellte er einen Holztisch und zwei Samtsessel, die bislang als Staubfänger im Wohnzimmer standen, zwischen zwei große Farnwedel. Dort aßen wir abends bei Kerzenlicht, die Kerzen stammten aus einem Armleuchter, den er Gott weiß wo aufgetrieben hatte. Die Baumzweige über uns bildeten ein Dach, einen grünen Speisesaal. Morgens ließen wir uns Zeit für ein ausgedehntes Frühstück. Wir fuhren zum Einkaufen in die Stadt. Die Bäckerin spendierte ihm kleine Brandteigkugeln, die Metzgerin sagte zu mir: »Ihr Neffe ist ein netter Junge.«
Auf dem Markt wollte Gio Honig fürs Frühstück kaufen. Wir blieben vor dem Stand einer weißhaarigen Dame mit rosigen Apfelbäckchen stehen. Sie meinte, wir sollten uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen, denn Nachschub würde es keinen geben. Gio fragte nach
dem Grund. Sie erzählte uns, dass der Bauer, dem die Nachbarfelder gehörten, am Vortag gegen vierzehn Uhr mit dem Mähen begonnen hatte. Und erklärte, dass um diese Tageszeit ungefähr fünf Bienen pro Quadratmeter Nektar sammeln. Sie hatte den Bauern gebeten, seine Arbeit auf den Abend zu verlegen, damit die Sammlerinnen in die Bienenstöcke zurückfliegen konnten. Vom erhobenen Sitz seines Mähdreschers aus hatte er ihr zugerufen: »Da hab ich was Besseres zu tun.«
»Das ist besonders ärgerlich«, fügte die alte Dame hinzu, »weil es sich um Brachland handelt. Er müsste es gar nicht mähen.« Da der Bauer zehn Hektar besaß, waren am Ende fünfhunderttausend Bienen zermalmt worden. Und mindestens genauso viele Schmetterlinge, Libellen und Grillen sowie Rebhuhnküken. Den ganzen Abend hatten die Stockbienen auf die Flugbienen gewartet und sogar noch am folgenden Morgen.
Die alte Dame erklärte Gio, dass es einundzwanzig Tage dauert, bis neue Arbeiterinnen einsatzfähig sind. Sie sagte, dass es diese Bienen sind, die unser Obst und Gemüse bestäuben, und dass fünfunddreißig Prozent unserer Ernährung davon abhängen.
Gio und ich waren schweigend nach Hause gefahren, traurig und wütend zugleich. Sein einziger Kommentar war: »Sag mal, Emma, was ist eigentlich tödlicher - die Dummheit oder die Herzlosigkeit der Menschen?« Ich gab ihm keine Antwort.
Er liebte Tiere wirklich, leidenschaftlich. Ich hatte mitbekommen, wie er eine Eidechse aus dem Spülbecken holte, wie er es vermied, eine bestimmte Steckdose
zu benutzen, weil direkt daneben eine Spinne ihr Netz wob. Ich hatte ihn mit einem streunenden Kater an den Hals geschmiegt gesehen, beide in seligem Schlummer versunken.
Gio fragte mich oft, warum ich keine Katzen wollte. Er ließ nicht locker: So viele gelangten in den Garten, strichen ihm um die Beine, um ein bisschen Futter zu bekommen. Man könnte so leicht eine behalten oder zwei oder …
»Du siehst ja selbst, dass es kein Ende nehmen würde. Warum nicht auch diese und dann die nächste und die übernächste?«
»Eben, warum nicht!«
»Sobald ich eine Katze finde, die in der Lage ist, mir Frühstück zu machen, adoptiere ich sie.«
»Das ist nicht lustig, sie bemühen sich ja. Sie bringen Geschenke, Feldmäuse, Waldmäuse.«
»Ich mag aber keine Mäuse zum Frühstück.«
»Das ist nicht fair! Alle Probleme wären gelöst, wenn du Mäuse statt
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