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Mit Pflanzen verbunden

Mit Pflanzen verbunden

Titel: Mit Pflanzen verbunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
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Aluminium-Pfadfinderkochgeschirr.
    Viele Jahre später, nach manchen Irrgängen im akademischen Labyrinth, saß ich auf einem eingeschneiten Bauernhof namens „Gänsemooshubel“ an meiner kleinen Reiseschreibmaschine und tippte wie ein Wahnsinniger an meinem ersten Buch in deutscher Sprache. Ein flotter junger Verleger aus einem ungarischem Adelsgeschlecht hatte mich überredet, für seinen Verlag ein Buch zu schreiben. „Warum plagst du dich mit langweiligem Zeug herum? Schreib doch mal über etwas, was dich wirklich interessiert!“, riet er mir. Eigentlich hätte ich die Daten einer Feldforschung im Emmental auswerten sollen, aber irgendwie schienen mir die Zahlenkolonnen über Energieverbrauch und -erzeugung nicht so dringend wichtig und interessant zu sein. Zu dieser Zeit hatten meine Frau und ich uns vorübergehend in dem schönen, aus Holz gebauten Bauernhof im Berner Schwarzenburgerland eingenistet. Der Besitzer befand sich auf einer viermonatigen Reise nach Nepal. Mir blieben also vier Monate, um das Buch über biologisches Gärtnern, die Alchemie des Komposts und den Einfluss der Sterne und Planeten auf die Erdscholle zu schreiben. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht tanzten meine Finger wie Derwische in Ekstase über die Tasten meiner Schreibmaschine. Ich nahm mir nicht einmal die Zeit, um meinen Pyjama auszuziehen. Meine Frau kochte das Essen und kümmerte sich um alles andere. Irgendwann rief sie mich aus meiner Schreibtrance heraus zum Mittagessen, das ich, ohne richtig zu merken, was ich da aß, in mich hineinlöffelte.
    „Hier, zieh dich an, du brauchst frische Luft!“, befahl sie nach der Mahlzeit, reichte mir den Wollmantel und führte mich spazieren, wie man etwa den Bewohner eines Behindertenheims auf einem Spaziergang führen würde. Kalt war es, der Weg war tief verschneit und die Tannen trugen dicke weiße Mäntel. Ab und zu krächzte ein Rabe. Nach diesem Zwangsspaziergang setzte ich mich, einen Pott starken Kaffees und einen Haufen Notizen und Papiere neben mir, wieder an meine Schreibmaschine. Irgendwann zwischen zehn und elf Uhr abends erschlaffte mein Eifer. Meist waren die letzten zwei Seiten, die ich getippt hatte, ein regelrechter Wortsalat voller Fehler und landeten am nächsten Morgen im Papierkorb.
    Nur am Sonntag machte ich Pause. In der Regel gingen wir zum Gottesdienst in die alte karge, weiß getünchte reformierte Kirche in Wahlern, ließen uns von ihrer Ausstrahlung verzaubern und schwelgten in längst vergangenen Zeiten. Die Kirche, auf einer Höhe oberhalb des Städtchens Schwarzenburg gelegen, war nämlich an einem starken Kraftort erbaut worden; einem Ort, der schon den Kelten und den Alemannen heilig gewesen war und an dem sich im Mittelalter eine Station des Jacobs-Pilgerwegs nach Santiago de Compostela (Spanien) befand. Unser Haus lag direkt an diesem Pilgerweg. Im Schwarzenburgerland hat es schon immer religiöse und schwärmerische Umtriebe gegeben. Viele Amish People , Mitglieder einer Wiedertäufergemeinde in den USA, die im ländlichen Raum in Ohio unsere Nachbarn gewesen waren, hatten hier ihre Wurzeln. Die hiesigen Bauern trugen dieselben Nachnamen wie die Amish . Auch einige Vorfahren meiner Frau gehörten dieser Wiedertäufergemeinde an und suchten, da sie von den Katholiken und den refomierten Christen verfolgt wurden, um 1700 in der Neuen Welt Zuflucht. Wer weiß, welcher karmische Kreis sich hier schloss? Auf jeden Fall spürte ich die kraftvolle Ausstrahlung des Ortes und sie beflügelte mein Schreiben.
    Tatsächlich wurde ich mit dem Buch innerhalb der viermonatigen Frist fertig. Aber nach dieser Zeit war auch ich fertig. Nachdem ich den letzten Satz geschrieben hatte, kippte ich förmlich um. Alle meine Reserven waren erschöpft und ich bekam eine schwere fiebrige Lungenentzündung.
    In der Nacht hatte ich jedoch einen kristallklaren Traum von einer kleinen Blüte, die wie eine Sonne am blauen Himmel strahlte. Am nächsten Morgen schaute ich zum Fenster hinaus. Es war Ende Februar und die Natur war noch weiß verschneit. Aber da, an der Südseite direkt neben dem Haus, leuchteten mir auf einer kleinen gelbbraunen Fläche, auf der der Schnee schon getaut war, kleine gelbe Blüten entgegen. Es war der Huflattich. Er kam mir vor wie ein alter Freund, den ich seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Noch wusste ich nichts von seiner starken Heilkräft. Ich las nach: Tussilago , so heißt die Gattung, aus dem lateinischen tussis = „ Husten“ und

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