Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mit Pflanzen verbunden

Mit Pflanzen verbunden

Titel: Mit Pflanzen verbunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf-Dieter Storl
Vom Netzwerk:
Mutterkorn (Ergot, Antoniusfeuer) (Rudgley 1999: 57).
    Rudolf Steiner sagt, dass die Tollkirsche die stark abbauenden astralen Kräfte anregt und das Physische zerstört. Richtig dosiert kann die Tollkirsche jedoch Verhärtungen (Star, Steinerkrankungen) auflösen.
    Pietro Andrea Matthioli (1500–1575) gibt in seinem „Kreutterbuch“ (1563) die Tollkirsche als Mittel gegen die „Gicht“ 4 an. Er schreibt: „Diß Kraut geben sie wider die newe Krankheit, die Varen oder Kadden genannt, in einem Bier ein und lassen den Kranken in 24 Stunden nicht schlafen. Gibt seltsame symptomatica und ist ein gefährlich Arzenei.“ (Unter Varen oder Kadden verstand man fahrende Geistergeschosse.)
    Zur Faszination, die die Tollkirsche auf die Menschen ausübt, gehört ihre Fähigkeit, den Sexualtrieb, die Libido, zu steigern. Sie soll bei richtiger Dosierung den Menschen im Zustand zwischen Wachen und Träumen festhalten – in der so genannten Mondsphäre, die auch viel mit Sexualität, erotischen Träumen und spontanen Erektionen zu tun hat. Hexensalben und Hexengetränke mit Tropanalkaloiden führen die Seele in Walpurgisnachtszenarien und lassen sie wilde Orgien mit fantastischen halb menschlichen, halb tierischen Mischwesen erleben. Um sich die libidosteigernde Wirkung zunutze zu machen, aber gleichzeitig dem Wahn oder der Besessenheit zu entkommen, hat der Volksaberglaube verschiedene Tabus und Rituale entwickelt. So soll man etwa die Wurzel in der Nacht des hl. Georg (23. April) ausgraben, dabei einen magischen Kreis ziehen und ein schwarzes Huhn dem Teufel opfern. Dieser fällt dann über das Huhn her, derweil sich der Wurzelgräber aus dem Staub macht. Georg ist der eisengewappnete Ritter, der der Wut des Erddrachens, dem die Tollkirsche gehört, widerstehen kann.

    Auf dem Berg im Allgäu, auf dem wir leben, wächst die Tollkirsche überall am Wegesrand, nahe den Fichten. Im Frühling treiben die Blätter kräftig aus. Ende Juni erscheinen die blassen lilarötlich bräunlichen, glockenförmigen Blüten. Als wollten sie sich vor der Sonne verbergen, hängen sie der Erde zugewandt unter den Blattachseln. Schon oft hatte ich an ihnen gerochen, doch kein Duft ging von ihnen aus. Eines Nachts jedoch, gegen elf Uhr, auf dem Heimweg durch den dunklen Wald, schlug mir ein betäubender Parfümduft entgegen. Ich war verblüfft. Ein Duft, wie man ihn in einem billigen Pariser Puff erwarten würde, und das mitten im Wald? Die Belladonna steckte dahinter. Es passt zu ihr, dass sie sich nicht am sonnigen Tag, sondern in der Nacht, gegen Mitternacht, von Nachtfaltern bestäuben lässt. Die glänzenden schwarzen Beeren, die im Herbst erscheinen, sind schön anzusehen und schmecken süß – für Unwissende verführerisch und hochgefährlich!
    Was die Frühlingsblätter betrifft, so ähneln sie sehr denen des frisch austreibenden Beinwells (Symphytum) . Das wurde einem Bekannten zum Verhängnis. Jedes Jahr im Frühling sammelt er, zusammen mit einer Gruppe von Freunden, verschiedene Wildkräuter. In geselliger Runde wurde anschließend ein „Neunkräutersalat“ zubereitet und eine leckere „grüne Suppe“ gekocht. Es ist die Wiederbelebung eines alten Rituals, wie es schon die keltisch-germanisch-slawischen Vorfahren kannten, ein Ritual, das mit der neu erwachten Lebenskraft der Natur verbindet, das Blut reinigt (entschlackt) und die „Frühjahrsmüdigkeit“ vertreibt.
    „Da sah ich die jungen Beinwellblätter am Wegrand“, erzählte er, „und ich bückte mich, um einige zu pflücken. Doch als ich sie näher anschaute, dachte ich: Nein, irgendwie sehen die nicht richtig aus, und ging weiter. Nach einigen Schritten überlegte ich: Was soll es anderes sein als Beinwell?, und pflückte eine Hand voll für die Suppe. Nach dem Genuss der Suppe wurde uns schrecklich schlecht und die ganze Gesellschaft endete mit Sirene und Blaulicht in der Notfallklinik, wo man uns den Magen auspumpte. Als ich da im Krankenhausbett lag, bemerkte ich etwas Merkwürdiges: Ich konnte genau hören, was viele Kilometer entfernt gesprochen wurde. Es war sozusagen ‚fernhören‘. Auf diese Weise konnten wohl Schamanen oder Zauberer andere ausspionieren. Es war unheimlich. Ich würde es nie wieder machen wollen, aber es war ein wertvolles Erlebnis.“
Die schwarzen Augen des Marders
    Ich hatte mir vorgenommen, mich näher mit der außergewöhnlichen Pflanze zu befassen, vielleicht auch mal vorsichtig mit ihr zu experimentieren, um sie besser kennen zu

Weitere Kostenlose Bücher