Mit Schimpf und Schande
Commander Venizelos.« Die feinknochige Frau nickte nacheinander jedem von ihnen zu. In ihren braunen Augen stand ein finsterer Ausdruck. »Ich bin Admiral Sarnows Stabschefin. Als solche bin ich Captain Harrington im Hancock-System sehr nahe gekommen und war schockiert, als ich von Captain Tankersleys Tod hörte. Ich war noch schockierter, als ich erfuhr, wer sein Gegner gewesen war, aber da ich überhaupt nichts ändern konnte, habe ich versucht, an diese tragische Geschichte nicht mehr zu denken.
Heute nachmittag erreichte mich jedoch ein Comanruf. Eine Bildverbindung bestand nicht, und der Ton war stark verzerrt, offenbar um die Anonymität des Anrufers zu gewährleisten. Ich bin jedoch so gut wie sicher, daß es sich um die Stimme einer Frau gehandelt hat. Der Anruf kam über mein privates, nicht verzeichnetes Com; nicht auf einem offiziellen Kanal, sondern auf meinem zivilen Anschluß. Nur meine engsten Freunde kennen diese Nummer, welche wegen meiner Sicherheitseinstufung sowohl bei den zivilen als auch den militärischen Behörden besonderen Geheimhaltungsbestimmungen unterliegt. Wer immer mich angerufen hat, bekam diese Nummer trotz allem heraus.«
Sie schwieg kurz, und McKeon nickte verstehend, auch wenn der verwirrte Ausdruck noch nicht von seinem Gesicht verschwunden war.
»Die Anruferin«, fuhr Corell bedächtig fort, »informierte mich zunächst, daß sie sich weder wiederholen noch Fragen beantworten würde. Damit erlangte sie meine volle Aufmerksamkeit – darum war es ihr wohl auch gegangen. Ich hatte nicht genügend Zeit, um einen Recorder einzuschalten, und ich kann den genauen Wortlaut des Anrufs deshalb nicht wiedergeben. Sehr vieldeutig waren ihre Sätze allerdings nicht gerade.
Laut meiner Anruferin ist Denver Summervale in der Tat dafür engagiert worden, Captain Tankersley zu töten.« Ringsum am Tisch zischte Luft durch zusammengebissene Zähne. Niemand war erstaunt, aber die Bestätigung ihres Verdachts schlug dennoch ein wie eine Bombe. »Darüber hinaus«, fuhr Corell mit gezwungen gleichmäßiger Stimme fort, »ist Summervale beauftragt, Dame Honor ebenfalls zu töten.«
Alistair McKeons Stuhl fiel klappernd aufs Deck, als er mit einem wütenden Knurren aufsprang. Corell zuckte mit keiner Wimper, sondern nickte nur. McKeon zwang sich, sich zu bücken und den Stuhl wieder hinzustellen, dann hatte er sich wieder soweit in der Gewalt, daß er sich setzen konnte.
»Wie Sie wissen, hat Captain Tankersley Summervale verwundet«, sagte Corell. »Die Wunde war unglücklicherweise nicht ernsthaft, und er nutzte sein Bedürfnis nach medizinischer Versorgung als Entschuldigung, das Feld zu verlassen, dann verschwand er auf dem Weg zum Krankenhaus. Lediglich inoffiziell kann ich Ihnen mitteilen, daß der Nachrichtendienst des Marinecorps annimmt, Summervale sei für die Tat bezahlt worden, aber weder sie noch die Landinger Polizei konnten dafür bisher irgendeinen Beweis erbringen. Eingedenk dessen habe ich wie die Behörden angenommen, daß Summervale untergetaucht wäre und jede offizielle Aufmerksamkeit vermeide, bis die öffentliche Empörung nachgelassen hat, oder daß er vielleicht sogar das Sonnensystem verlassen hätte. Laut meiner Anruferin hält er sich jedoch nur versteckt, bis Dame Honor auftaucht. Er und sein unbekannter Auftraggeber nehmen an, daß sie ihn fordern wird, sobald sie ihn zu Gesicht bekommt, und dann will er sie ebenfalls töten.«
»Aber … warum? « McKeon sah den Admiral bittend an, dann wieder Corell. »Wollen Sie damit etwa sagen, daß Summervale Paul getötet hat, nur um Honor auf das Feld zu bekommen? Daß er ihn nur als Köder umgebracht hat, um sie herzulocken und zu töten?«
»Das glaube ich nicht. Genauer gesagt, glaube ich nicht, daß dies der einzige Grund ist«, antwortete Corell nach kurzem Überlegen mit leiser Stimme. »Daß er sie verlockt, ihn zu fordern, ist ein alter Trick der professionellen Duellanten: Er wird sie nicht gefordert haben, sondern sie ihn, und er hätte sich nur verteidigt. Ferner nehme ich an, unsere Gegner rechnen damit, daß Captain Harrington rasend vor Rachsucht sein wird – und das würde sie unvorsichtig machen. In diesen Duellangelegenheiten besitzt sie nicht die geringste Erfahrung. Alles Tatsachen, die der Gegner kennt, Captain McKeon, und vom Standpunkt des Gegners absolut ausreichend. Aber er will sie verletzen , verstehen Sie? Bevor sie stirbt, soll sie wissen, daß man ihr das Schlimmstmögliche angetan
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