Mit Schimpf und Schande
Er hielt einen Augenblick inne und zog seine Uniform glatt, dann drückte er auf den Einlaßknopf und blickte zur Tür seines Quartiers, die sich gerade öffnete.
Der Posten der Marineinfanterie im Korridor bedeutete nicht den Respekt, den die Frau an Bord eines Schiffes symbolisiert hätte. Sie war Youngs Bewacher, offizielles Zeichen seiner Bloßstellung, und ihr kalter, unpersönlicher Gesichtsausdruck schrie heraus, daß sie ihn verurteilte. Er preßte die Lippen zusammen bei dieser frischen Erinnerung, und seine schwärende Wut über diese Demütigung kochte stärker denn je in ihm hoch, als der Kontragrav-Lebenserhaltungsstuhl summend an ihr vorbei ins Wohnzimmer schwebte.
Der Mann in dem Stuhl war kaum neunzig T-Jahre alt, noch nicht einmal in mittlerem Alter in einer Gesellschaft, die den Prolong-Prozeß zur Lebensverlängerung benutzte. Dennoch besaß der Mann eine ungesunde Gesichtsfarbe und füllte den Stuhl mit aufgequollener Fettleibigkeit, die Young mehr an seine immer stärker anschwellende Leibesmitte gemahnte als ihm lieb war. Selbst der modernen Medizin waren Grenzen gesetzt, wo es darum ging, den Konsequenzen lebenslanger Ausschweifungen entgegenzuwirken.
Schnurrend schwebte der Stuhl in die Mitte des Raumes, und der Zehnte Earl von North Hollow lehnte sich darin zurück, um seinen ältesten Sohn über aufgedunsene Tränensäcke hinweg anzublicken.
»Aha«, keuchte er. »Diesmal bist du aber voll reingetreten, was?«
»Ich handelte so, wie ich es in Anbetracht der Umstände als am besten erachtete, Vater«, antwortete Young steif. Der Earl schnaubte und brachte dadurch seine gewaltige Wampe zum Erbeben.
»Das kannst du dir fürs Gericht aufheben, mein Junge! Du hast Scheiße gebaut – versuch nicht, mir weiszumachen, es wäre anders. Nicht mir. Und ganz besonders nicht« – seine kleinen Schweinsäuglein verhärteten sich –, »wenn du von mir erwartest, dich da mit heiler Haut wieder rauszuholen.«
Young schluckte mühsam. Er hatte angenommen, er sei bereits so verängstigt, wie es nur ging; die Andeutung, sein Vater könnte vielleicht nicht in der Lage sein, ihn zu retten, bewies, daß er sich darin geirrt hatte.
»So ist es schon besser.« Der Earl lenkte seinen Stuhl zum Fenster, um hinauszuschauen, dann schwang er herum und blickte wieder seinen Sohn an. »Ich kann es einfach nicht glauben, daß du blöd genug warst, es dermaßen zu verbocken, obwohl dieses Miststück das Kommando hatte«, grunzte er. Wie sein Sohn auch benutzte er nur selten Honor Harringtons Name, aber Young errötete unter der beißenden Verachtung in seiner Stimme, denn diesmal war sie nicht gegen Harrington gerichtet. »Verdammt noch mal, Junge! Hat sie dir denn nicht auch ohne das schon genug Ärger bereitet?« Mit einer plumpen Hand winkte der Earl in Richtung der geschlossenen, bewachten Tür. »Was zum Teufel benutzt du eigentlich anstelle deines Verstands?«
Young biß sich auf die Lippe, und frische Wut brannte wie Feuer in ihm. Was verstand sein Vater denn schon davon? Er hatte schließlich nicht sein Schiff inmitten des Raketenhagels gesehen!
»Zwölf Minuten. Das hätte den Unterschied gemacht«, fuhr die hohe, pfeifende Stimme fort. »Du mußtest es nur zwölf Minuten mehr aushalten, und nichts von alledem wäre je geschehen!«
»Ich habe die beste Entscheidung getroffen, die ich fällen konnte, Sir«, entgegnete Young und wußte, daß er log. Noch jetzt spürte er den furchtbaren Nachhall der gedankenlosen, lähmenden Panik.
»Einen Scheißdreck hast du. Mit eingekniffenem Schwanz abgehauen bist du.« Young lief puterrot an, aber der Earl ignorierte es und sprach weiter, als dächte er nur laut. »Ich hätte dich niemals zur Navy schicken dürfen. Schätze, ich hatte von Anfang an das Gefühl, daß dir dazu der Mumm fehlt.« Young starrte ihn an, unfähig, auch nur ein Wort zu sagen, und North Hollow seufzte.
»Na, man soll über Luft nicht weinen, die schon längst aus der Schleuse ist.« Nun erst schien er zu bemerken, daß sein Sohn noch immer stocksteif dastand, und deutete mit einem Wurstfinger auf einen Stuhl. »Ach, setz dich, Junge. Setz dich doch!« Young gehorchte mit maschinenhafter Steife. »Ich weiß, ich war nicht dort, Pavel«, sagte er sanfter. »Und ich weiß, daß solche Dinge eben vorkommen. Wichtig ist nun allein, wie wir dich aus diesem Schlamassel herausholen. Ich habe schon ein paar Eisen im Feuer, aber bevor ich etwas Wirksames unternehmen kann, muß ich genau wissen, was
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