Mit Schimpf und Schande
Neuigkeiten vereinfacht und trivialisiert wurden, und sie verabscheute die Sensationshascherei und die Neigung, auf den einfachsten Höflichkeitsregeln herumzutrampeln, nur um einer Story nachgehen zu können. Natürlich war sie willens zuzugeben, daß Newssendungen durchaus ihren Zweck erfüllten, und Manticore besaß ein Gesetz zum Schutze der Privatsphäre, das schon 14 n. d. L. erlassen worden war und dem das Parlament einigen Biß verliehen hatte.
Dadurch wurde normalerweise die brutale Aufdringlichkeit der Medien verhindert, wie sie in Gesellschaften wie der Solaren Liga gang und gäbe war, aber in diesem Fall war einfach jedes Fünkchen Zurückhaltung verschwunden. Daß Young der Prozeß gemacht wurde, hatte bei den Reportern wahren Freßwahn ausgelöst, und offenbar nahmen viele Herausgeber das Risiko einer nahezu sicheren (und kostspieligen) Niederlage in einer Anklage wegen Verletzung der Privatsphäre in Kauf, wenn ihre Reporter nur die Story bekamen.
Fanatisch jedem Fetzen Information aus erster Hand hinterherjagend, um ein wenig Fleisch auf das trockene Gerippe zu bekommen, das der Bericht der Admiralität über das Gefecht und die Ereignisse, die zu dieser ›vielversprechenden‹ Kriegsgerichtsverhandlung führten, aufgebaut hatten, waren die Medien allen Nikes auf den Fersen. Der Kommandantin der Nike jedoch hetzte man mit besonderer Energie hinterher … und nicht nur bezüglich der Vorfälle im Hancock-System. Jedes Detail aus Honors Vergangenheit – und aus Youngs – wurde ausgegraben und auf jedem Newsdienst im Königreich verbreitet, begleitet von ebenso detaillierten, normalerweise ungenauen und beinahe stets geschmacklosen sogenannten Analysen und Spekulationen. Jeder verbürgte Zwischenfall, ja jedes Gerücht über die Feindschaft zwischen ihr und Young machte Schlagzeilen. Einige der Newsdienste hatten sogar in Honors Kindheit auf Sphinx herumgeschnüffelt, und ein besonders aufdringliches Reporterteam war in die Praxis ihrer Eltern eingedrungen und hatte die beiden in die Ecke gedrängt. Sie hatten sich als Patienten ausgegeben, um eingelassen zu werden, und dann beide Doctores Harrington sowie jeden Angestellten in Reichweite mit persönlichen Fragen belästigt, bis Honors Mutter die Geduld verlor, die Polizei rief und die Reporter wegen Verletzung der Privatsphäre anzeigte. Honor wäre vor Wut beinahe geplatzt, als sie davon hörte, und hatte sich seither auch nicht merklich beruhigt. Ihre eigene Situation war noch schlimmer. Scheinbar hatte sich die Hälfte aller Reporter Manticores in Hephaistos breitgemacht, lauerte wie sphinxianische Spinnenechsen in Korridoren und Dockgalerien und hoffte, daß sie auch nur einen Zeh auf die Raumstation setzen könnte. Die ganze Geschichte war Honor ganz gewaltig zuwider. Nicht nur wegen des überwältigenden Eingriffs in ihre Privatsphäre, sondern vor allem aufgrund der unglaublich voreingenommenen Art und Weise der Berichterstattung. Die Medien behandelten die Angelegenheit wie einen Streit zwischen zwei Gladiatoren, so als würden sich in Youngs Prozeß sämtliche Sorgen und Ängste des Königreichs manifestieren. Die während des letzten halben Jahrhunderts angewachsene Furcht vor der Volksrepublik, das Gefühl des Trotzes und des Sieges durch die ersten Schlachten und die Unsicherheit der gegenwärtigen politischen Krise schienen sich auf die Verhandlung gegen Young zu fokussieren … und auf sie. Reporter, Analytiker, Akademiker, der Mensch auf der Straße – alle schienen Position zu beziehen, und Honor Harrington stand mittendrin.
Die Art, in der die Newsdienste, die von der Opposition oder dem Hauptmann-Kartell kontrolliert wurden, sie beschimpften, war übel genug, fast noch schlimmer aber erschienen ihr die regierungsnahen Dienste und Kommentatoren, die sich zu Streitern in ihrer Sache erklärten. Wenn sie hörte, daß man von ihr als ›größtem Helden der Navy im Königreich‹ sprach, dann drehte es ihr vor Peinlichkeit den Magen um. Und einige setzten noch eins drauf: Wenigstens die Hälfte hatte sie zu einer Art Platin in glänzender Rüstung erkoren, mit dem man auf die »obstruierende Opposition« einprügeln konnte. Politische Fachleute aller Couleur gaben ihre Meinung kund, der Young-Prozeß entscheide über Wohl oder Wehe für die Bemühungen der Regierung Cromarty um eine Kriegserklärung – und es hatte bereits größere Demonstrationen vor dem Parlament gegeben, bei denen Leute Transparente mit Honors Gesicht getragen
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