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Mit Schimpf und Schande

Mit Schimpf und Schande

Titel: Mit Schimpf und Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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gebeten hatte, ihre Position noch einmal zu überdenken. Diese Bitte von dem Mann, der begeistert Honors Leistungen zum Anlaß für die umwälzenden gesellschaftlichen Reformen auf Grayson genommen hatte, reichte aus, um Honor nachgeben zu lassen – auch wenn sie nicht gerade vor Liebenswürdigkeit gesprüht hatte. Ihr kam die Zeremonie insgesamt eher albern vor, und sie fühlte sich wie eine für ein Historiendrama kostümierte Schauspielerin. Und noch schlimmer: Sie hatte gesehen, in welch anmutiger Weise die Frauen auf Grayson ihre traditionellen, wallenden Röcke bewältigten, und wußte genau, daß sie ihnen in dieser Hinsicht nicht das Wasser reichen konnte. Doch ausgerechnet Admiral Courvosier war es gewesen, der ihr einst einen Vortrag über die Bedeutung der Diplomatie gehalten hatte, und so kam sie nicht umhin, ihre Kapitulation auszuhandeln.
    Und nun schritt sie über den widerhallenden Steinflur auf das gewaltige, geschlossene Portal zu. Nimitz trug sie in den Armen, denn ihr Kleid besaß den gepolsterten Schulterschutz ihrer Dienstuniformen nicht. Bis zum Boden reichender Stoff wirbelte ihr beim Gehen beständig um die Beine. Das Gefühl hatte etwas seltsam Sinnliches an sich, aber in dem unvertrauten Aufzug fühlte sie sich völlig deplaziert und mußte sich ständig ermahnen, kürzere Schritte als gewohnt zu machen, um ein wenig schicklicher auszusehen. Wahrscheinlich , dachte sie und verzog ironisch die Lippen, sehe ich genauso albern aus wie ich mich fühle.
    Damit jedoch hatte sie unrecht. Ihr Kleid war das Werk des besten Modedesigners auf Grayson, und Honor war mit ziviler Mode einfach zu wenig vertraut, um zu wissen, als wie gewagt es nach örtlichen Standards zu gelten hatte. Seine schlichte, weiße Spinnenseide setzte sich ab von dem dunklen, von Juwelen aufgehellten Grün der hüftlangen Weste – aus Veloursleder, nicht traditionellem Brokat. Gemeinsam betonten sie ihren schlanken, athletischen, hochgewachsenen Körperbau, ihr dunkles Haar und ihren hellen Teint aufs vorteilhafteste. Die Kleidungsstücke saßen perfekt und flossen mit ihren Bewegungen, verhüllten sie, wie es die Tradition gebot, und versuchten doch weder zu verhehlen, daß in ihnen der Körper einer Frau steckte, noch, daß sich diese Frau mit durchtrainierter Eleganz bewegte. Honor trug keinen Schmuck (zumindest diese Tradition wies sie mit aller Entschiedenheit zurück), doch golden prangte der Stern von Grayson auf ihrer Brust. Das bereitete ihr ein gewisses Unbehagen, denn die manticoranische Anzugordnung verbot das Tragen von Auszeichnungen zu Zivilkleidung. Andererseits galt sie auf Grayson niemals als Zivilistin – ganz gleich, was sie trug. Ein Gutsherr verfügte nicht nur über eine persönliche Lehnssouveränität, welche die meisten manticoranischen Aristokraten vor Neid hätte erblassen lassen, sondern kommandierte darüber hinaus auch die auf seinem (oder – ihrem) Gut stationierten Heereseinheiten. Daher wurden Orden bei allen formellen Anlässen getragen … und Honor Harrington, ob Fremdweltlerin oder nicht, war der einzige lebende Träger der höchsten graysonitischen Tapferkeitsauszeichnung.
    Als weißer Wirbel glitt sie den Flur entlang, das unbedeckte braune Haar fiel ihr lose auf die Schultern. In den Armen hielt sie den grau und cremefarbenen Baumkater, und auch dies hätte einige Beobachter als seltsam anmuten können. Auf den meisten nicht-manticoranischen Planeten hätte das Mitbringen eines ›Haustiers‹ zu einem förmlichen Anlaß die Dinge nur noch schlimmer gemacht, aber die Menschen dieser Welt kannten Nimitz, und niemand hätte auch nur angedeutet, sie solle ihn zurücklassen. Nicht auf Grayson.
    Der Flur schien sich ins Unendliche zu strecken. Er war nicht mit regulären Heeresangehörigen, sondern von Soldaten der Gutsherrengarde gesäumt, die ein Knie neigten, sobald Honor an ihnen vorbeischritt, und Anspannung machte sich in Honors Körpermitte bemerkbar. Ohne stehenzubleiben, ging sie noch einmal die formellen Sätze durch, und obwohl sie sich so erneut davon vergewisserte, daß sie die Zeilen parat hatte, fühlte sie sich kein bißchen ruhiger. Protector Benjamin hatte ihr die Gutsherrnwürde verliehen, bevor sie sich zur medizinischen Behandlung nach Manticore begab, aber das war nicht mehr als eine Bestätigung dessen gewesen, was nun kam. Das Gut von Harrington hatte nur auf dem Papier existiert. Nun umfaßte es Menschen, Siedlungen und die Anfänge von Industrie. Es existierte ,

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