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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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sein«. »Ganz unten«, wirklich am Boden zu sein, ist für das denkende Selbst ebenfalls eine wertvolle Einübung ins Leben. Die zugehörige Übung sieht vor, sich gelegentlich auf den Boden zu legen, nur zu liegen und wahrzunehmen, vielleicht auch Gymnastik in der Horizontalen zu betreiben, zur Stärkung der Rückenmuskulatur. Die Muskeln, die mit der Aufrichtung des Körpers und des Kopfes betraut sind, nehmen dankbar die Entlastung vom Kampf gegen die Schwerkraft an, und auch das Zwerchfell atmet tief durch. Sich dem Boden anzuschmiegen, reduziert die Angst zu stürzen und zu fallen, die nicht zuletzt aus der krampfhaften Aufrechterhaltung der Vertikalen resultiert; aus diesen Gründen ist dies wohl auch die bevorzugte Ebene der Liebe und der Zärtlichkeit. Auf derselben Ebene lässt sich zudem ein mögliches Scheitern vorwegnehmen, das jetzt seinen Schrecken verliert, da es eine neue Gewissheit bietet: nicht tiefer fallen zu können. Die Horizontale ist eine Erinnerung daran, wie das Leben einst begonnen wurde: nämlich liegend; und dass dies letztlich auch die Ebene des Todes ist, sodass die körperliche Übung einen Anlass bietet, sich einzuüben in den Gedanken an den Tod.
    Die Übung des Liegens, nicht im Bett, sondern ganz unten, auf dem Rücken, auf dem Bauch, seitwärts, ausgestreckt, eingerollt, ermöglicht dem Selbst, mit der körperlichen Berührungdes Bodens wieder Bodenhaftung zu gewinnen. Wer liegt, wird ein anderer, anders als stehend und gehend: Das ist alltäglich zu erfahren beim Schlafengehen und gelegentlich beim Kranksein, verstärkt wird die Erfahrung jedoch, wenn das Liegen vom Bett auf den Boden verlegt wird. Von unten herauf statt von oben herabzublicken, verändert die Perspektive gänzlich. Es ist die Position der Gelassenheit per se, der Ruhe, mit der das Selbst wieder an Boden gewinnt, da es vertraut wird mit dem Wohlgefühl des »Geerdetseins«. Das Liegen enthebt es der Anstrengung der Vorsicht, die ansonsten jeden Schritt begleiten muss; die Fülle der Sinneseindrücke vermindert sich, sodass die Welt wieder überschaubar wird. Vielleicht ist ein Ausgeliefertsein damit verbunden, jedoch eines, dem das Selbst sich freiwillig anheim gibt und so mit der Situation bekannt wird, mit der es sich im Leben unfreiwillig immer wieder konfrontiert sieht, auch ohne Einwirkung anderer: Jeder Schlaf, jede Krankheit bringt dieses Ausgeliefertsein mit sich. Das Liegen ist eine Einübung in die Passivität, das notwendige Gegenstück zur stets vorwärts drängenden Aktivität, die jedes Sich-Niederlegen als Niederlage empfindet. Wer liegt, stürmt nicht los, jedenfalls nicht plötzlich; die Schwerkraft, der er nachgegeben hat, gibt ihn nicht umstandslos frei, und die Kraft, die gewöhnlich gegen sie aufzuwenden ist, steht der körperlichen, seelischen und geistigen Regeneration zur Verfügung: Daher ist das Liegen so heilsam, so ausgleichend und kreativ.
    Boden zu gewinnen, ist eine schöpferische Angelegenheit; aber noch ein anderer Boden ist damit gemeint. Wer zum ersten Mal von ihm hört, fragt vielleicht ungläubig zurück: Becken? Boden? Eine Wesenheit dieses Namens ist ihm noch nie begegnet. Sollte ihr irgendwelche Bedeutung zukommen, die es rechtfertigen könnte, ihre Existenz zur Kenntnis zu nehmen? Aber wie so vieles, das bedeutsam ist, macht der Beckenboden erst als abwesender auf sich aufmerksam, und dies noch dazu an anderer Stelle: Das Zwerchfell beginnt zu schmerzen, denn es erbringteine vergleichbare Leistung für die Organe der oberen Körperhälfte, wie der Beckenboden für die Organe der unteren; es hält sie an Ort und Stelle. Ein »durchhängender« Beckenboden führt zwangsläufig zu einer Überbeanspruchung des Zwerchfells, das mangels Abstützung von unten die von oben herabdrückenden Organe »durchsacken« lässt. Entlastet wird das Zwerchfell durch die Stärkung des Beckenbodens, und dessen Übung erscheint als die einfachste, denn sie besteht in einem bloßen Anspannen der Muskelgruppe zwischen den Beinen bei jeder Gelegenheit. Zugleich ist die Sorge um den Beckenboden eine Vorsorge gegen mögliche Schwierigkeiten benachbarter Körperteile: Seine Spannkraft ist auch die der Blase und des Darmausgangs sowie der gesamten Bauch- und Gesäßmuskulatur. Das Beckenbodentraining fördert sogar, nachhaltiger jedenfalls als alle pharmakologische Nachhilfe, die Durchblutung jener Schwellkörper, denen das Leben einiges an erotischem Reiz verdankt. So geht die Bodenübung in die

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