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Mit sich selbst befreundet sein

Mit sich selbst befreundet sein

Titel: Mit sich selbst befreundet sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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fühlt und spürt, was den Kern seiner Kohärenz bilden kann und was an der Peripherie bleiben soll, welcher Art seine Beziehungen zu anderen sind und welche besonders gepflegt werden sollen: Was ist bejahenswert, was verneinenswert; was ist das Schöne im Leben, für das es sich zu leben lohnt? Die Zeit des Wohlgefühls hat ihren Sinn darin, das Selbst, das auch andere Zeiten erfährt, aufs Neue auszubalancieren; sinnlos wäre allein, nur den Pol des »Positiven« fortan festhalten zu wollen. Fern davon, verwerflich zu sein, wird der Genuss des Wohlgefühls zum Problem nur dann, wenn darin »das Glück« schlechthin gesucht wird. Entscheidend wäre, von Wellness nicht die Einlösung eines Heilsversprechens zu erwarten, kein Vollzugsorgan eines metaphysischen Verständnisses von Glück darin zu sehen, keine Norm daraus zu machen, sondern im Sinne der bewussten Lebensführung einen wählerischen Umgang auch mit dem Wohlgefühl zu realisieren, um letztlich ein Gespür für dessen richtiges Maß zu gewinnen und nicht zu glauben, das Selbst könne zum reinen Wohlfühlmenschen werden, die Welt zur vollkommenen Wohlfühlwelt.
    Über Körper und Seele hinaus kommt die Ebene des Geistigen in den Blick, stimuliert durch körperliche und seelische Erfahrungen, die auch die gedankliche Tätigkeit freisetzen, gezielt angeregt durch Übungen der Meditation. Die geistige Berührung ist eine ideelle, vorgestellte, potenzielle Berührung: das Berührtsein von einer Idee, einem Gedanken, einem Traumbild, einer Ahnung, einer erfundenen Geschichte, einer phantastischen Vorstellung oder philosophischen Abhandlung. Das Phänomen des Geistigen und der geistigen Form von Berühren und Berührtwerden lässt sich im Gespräch, diesem Austausch von Gedanken, ebenso im Schweigen als einer stillen Form von gedanklicher Berührung erfahren. Auch die Lektüre ist geistige Berührung, für viele immer noch verbunden mit der sinnlichen Berührung beim Zur-Hand-Nehmen eines gedruckten Mediums und dem Umblättern der Seiten. Die Ebene des Geistigen ist geprägt von der vielfältigen gedanklichen Tätigkeit, insbesondere aber von der Beschäftigung mit Lebensfragen und der Frage nach Sinn , von der Auseinandersetzung mit Möglichkeiten der Lebensbewältigung, die eine theoretische Vorarbeit brauchen, um praktisch umgesetzt werden zu können. Und schließlich ist die Ebene des Geistigen die Heimstatt eines umfassenderen Glücks, das in der Haltung der Heiterkeit am besten zum Ausdruck kommt, hervorgehend aus der Erfahrung der Fülle des Lebens in seiner ganzen Spannweite, seiner Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit. Im Unterschied zum Wohlfühlglück ist dieses Glück in keiner Weise käuflich, es ist eine Frage der geistigen Haltung, der philosophischen Lebenskunst.
    Die weitestgehende Berührung aber ist, körperliche, seelische und geistige Ebene transzendierend, auf der Ebene des Metaphysischen zu finden. Im Raum der Wellness kann diese Dimension zur Erfahrung werden, da der Raum der Muße den Horizont des Denkens und Fühlens denkbar weit öffnet. In Frage steht das, was über die Grenzen des Physischen, das heißt über die Endlichkeit der Existenz weit hinausgeht. Es ist nicht erforderlich, diese Dimension genauer festzulegen, denn sie zeichnet sich dadurch aus,dass sie nicht festzulegen ist; entscheidend erscheint nur, überhaupt einen Horizont des Denkens und Fühlens in Betracht zu ziehen, der über das gewöhnliche, endliche und begrenzte Leben des Einzelnen weit hinaus reicht, eine unendliche Überwölbung der Existenz, innerhalb derer das Leben sich einrichten lässt. Es geht darum, aufmerksam wahrzunehmen, in welcher Weise das Selbst davon berührt sein kann, um dies gegebenenfalls für die Führung des Lebens zu berücksichtigen. Dann erst wird die Berührung in ihrer ganzen umfassenden Bedeutung ausgeschöpft, physisch, psychisch, geistig, metaphysisch: um des vollen Menschseins willen.
    Diesem Verständnis von Wellness liegt ein integrales Verständnis vom Menschen zugrunde, bei dem die Aspekte Körper, Seele und Geist zwar zu unterscheiden, nicht aber voneinander zu isolieren sind, das einzelne Selbst wiederum nicht als isoliertes, vielmehr als soziales und ökologisches Wesen zu sehen ist. Um allen Ebenen des Menschseins auch begrifflich Rechnung zu tragen, bedarf es einer Erweiterung der »Psychosomatik« über Psyche und Soma hinaus zu einer Noopsychosomatik , die auch den nous , das Denken, mit einbezieht. Im Denken des

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