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Mit verdeckten Karten

Mit verdeckten Karten

Titel: Mit verdeckten Karten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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der Wolodarskij-Straße und war am 29. März mit der Abendmaschine nach Washington geflogen. Gegen sieben Uhr abends war bereits bekannt, daß Lowinjukow am 2. April nach Moskau zurückkehren sollte. Das war am heutigen Sonntag, seine Maschine landete um 21.30 Uhr. Igor Lesnikow fuhr zum Flughafen Scheremetjewo. Nastja hatte ihn gebeten, ihr nach dem Gespräch mit Lowinjukow sofort Bescheid zu geben.
    3
    Grigorij Iwanowitsch Lowinjukow war ein beweglicher, grauhaariger Mann von nicht allzugroßem Wuchs, er trug eine wuchtige Brille mit starken Gläsern. Er war sehr erschöpft von dem langen Flug und wollte so schnell wie möglich nach Hause. Die Aussicht, ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Miliz führen zu müssen, begeisterte ihn ganz und gar nicht. Der schöne, hochgewachsene Kripobeamte bot ihm allerdings an, ihn in seinem Wagen nach Hause zu bringen, und das stimmte Grigorij Iwanowitsch versöhnlicher.
    »Worum geht es also?« fragte er gutmütig, während er in Lesnikows luxuriösem BMW Platz nahm.
    »Grigorij Iwanowitsch, haben Sie einen Verwandten namens Agajew?«
    »Ja. Er ist mein Neffe zweiten Grades und wohnt mit seiner Familie in Uralsk. Was ist los mit ihm?«
    »Wjatscheslaw Agajew ist also Ihr . . .«
    »Ja, natürlich, mein Großneffe«, ergänzte Lowinjukow. »Er arbeitet übrigens auch bei der Miliz, wie Sie. Moment mal«, besann er sich plötzlich, »ist etwas passiert mit Slawa? So antworten Sie doch, was ist los?«
    Lesnikow wich der Frage aus.
    »Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?« wollte er wissen.
    »Am Mittwoch, direkt vor meinem Abflug. Wir hätten uns beinah verfehlt, ich stand schon im Flur, als er erschien. Er war dienstlich nach Moskau gekommen und wollte ein Medikament für seine Tochter abholen, das ich aus der Schweiz mitgebracht hatte.«
    »Und was passierte, nachdem er zu Ihnen gekommen war?«
    »Im Grunde gar nichts mehr. Ich war in großer Eile, unten wartete bereits ein Wagen auf mich. Wir umarmten und küßten uns, ich gab ihm schnell das Medikament, und wir verließen gemeinsam die Wohnung. Ich bot ihm an, ihn im Auto mitzunehmen, aber er lehnte ab. Er mußte in die andere Richtung, und außerdem, sagte er, wolle er Luft schnappen und ein bißchen zu Fuß gehen. Ich stieg ins Auto, und Slawa winkte mir zum Abschied. Das war alles. Was ist passiert? Sprechen Sie doch endlich!«
    Lowinjukow wurde zusehends nervös, aber Igor schwieg beharrlich.
    »Ist ihm etwas zugestoßen?« fragte Grigorij Iwanowitsch zaghaft. »Sagen Sie es mir doch endlich, quälen Sie mich nicht länger!«
    »Ja, Grigorij Iwanowitsch, Slawa ist etwas zugestoßen. Ein Unglück . . .«
    Grigorij Iwanowitsch schwieg beklommen. Er versuchte, das Gesagte zu verstehen und es in sich aufzunehmen. Igor lenkte den Wagen schweigend in Richtung Taganka und fragte sich, ob sein Beifahrer wohl in der Lage war, das Gespräch fortzusetzen, oder ob es im Moment keinen Sinn hatte, ihm weitere Fragen zu stellen.
    »Wollen Sie noch etwas von mir wissen?« fragte Lowinjukow plötzlich, das Schweigen durchbrechend, als hätte er Lesnikows Gedanken erraten.
    »Grigorij Iwanowitsch, Slawa wurde etwa fünf bis zehn Minuten nach dem Treffen mit Ihnen ermordet. Er erreichte nicht einmal mehr das Ende der Straße, in der Sie wohnen. Bitte versuchen Sie, sich an alles zu erinnern, was er in der kurzen Zeit, in der er mit Ihnen zusammen war, gesagt hat. An jedes einzelne Wort.«
    »Wir haben hauptsächlich über die Familie gesprochen, über seine Tochter, über meinen Sohn, der jetzt in den Staaten lebt. Es waren ja nur ein paar Minuten . . . Er hat nichts Besonderes gesagt.«
    »Mit welchen Worten sagte er Ihnen, daß er in die andere Richtung muß und daß er zu Fuß gehen möchte?«
    »Mit welchen Worten? Das weiß ich nicht mehr . . . Wenn du in Richtung Leningradskij Prospekt mußt, habe ich ihm gesagt, dann steig ein, ich nehme dich mit. Aber er lehnte, wie gesagt, ab. Er müsse in die andere Richtung, meinte er, außerdem wolle er ein Stück zu Fuß gehen, um über einiges nachzudenken.«
    »Hat er es genau so gesagt? Daß er über einiges nachdenken muß?«
    »Ja, genau so.«
    »Und er hat nicht gesagt, daß er irgendwo in der Nähe eine Verabredung hat?«
    »Nein, nichts dergleichen.«
    »Grigorij Iwanowitsch, bitte versuchen Sie, sich zu erinnern, wen Sie auf der Straße gesehen haben, als Sie zusammen mit Agajew das Haus verließen und ins Auto stiegen.«
    »Darauf habe ich nicht geachtet. Ich erinnere mich

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