Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)
ist zu kalt zum Draußenspielen, aber weißt du was? Es wird bald Weihnachten!«
Maria jubelt.
»Ich habe gehört, dass es bei euch Tradition ist, diesen alten Styropor-Schneemann zu dekorieren«, fährt Mrs Shannon fort. Sie verzieht das Gesicht, als sie Sydneys Kopf aus der Schachtel zieht.
Maria will ihn umarmen, aber Mrs Shannon stoppt sie und sagt: »Ich glaube an den Geruch von frischen Tannenbäumen zur Weihnachtszeit und an echte Zuckerstangen und Popcorn-Girlanden. Morgen bringe ich einen richtigen Baum mit, und wir werden ihn wunderschön schmücken!«
Freddy und Carl tauschen einen Handschlag. Maria sieht kurz enttäuscht aus, scheint den Schneemann aber zu vergessen, als Mrs Shannon jedem ein weiches Schokoladenbonbon gibt. Weise stopft sie Sydney zurück in seinen Karton.
Während Mrs Shannon dem Rest der Klasse zeigt, wie man Schneeflocken aus Papier macht, sitzen Catherine und ich zusammen vor dem einzigen klobigen Computer im Klassenzimmer und suchen im Web nach Kommunikationsgeräten. Es geht soooooo langsam. Manchmal blockiert er und hängt sich auf und wir müssen ihn neu starten und von vorne beginnen. Raum H-5 bekommt immer die großen, alten, übriggebliebenen Computer, die die anderen Klassen nicht mehr wollen.
Catherine und ich recherchieren alle möglichen Sorten von elektronischen Sprach- und Kommunikationsgeräten, die für Menschen wie mich entwickelt wurden. Viele von ihnen scheinen genauso klobig und sperrig wie unser Klassencomputer zu sein. Einige sehen wirklich kompliziert aus. Alle sind teuer. Wahnsinnig teuer. Manche Webseiten listen nicht einmal Preise auf – als hätten sie Angst davor, publik zu machen, wie viel das Ding kostet.
Geräte mit einer Standard-Computer-Tastatur hätten für mich keinen Sinn. Ich könnte die einzelnen Tasten nicht drücken. Ich brauche etwas, das ich nur mit meinen Daumen bedienen kann.
Wir finden umgestaltete Computer, Sprachgeneratoren, die die Worte sprechen, Vorrichtungen, die Tasten drücken, und sogar Geräte, die durch Blinzeln oder Kopfnicken bedient werden können. Schließlich finden wir etwas, das Medi-Talker genannt wird und eine Möglichkeit sein könnte. Seine Tasten sind groß genug für meine Daumen und er hat Millionen von Wörtern und Sätzen fertig eingebaut!
In einem Online-Video schaue ich mir an, wie ein Junge in meinem Alter das Gerät benutzt, und obwohl er eindeutig keine eigene Stimme hat, kann er durch diesen kleinen Kasten alle Einzelheiten seiner letzten Geburtstagsfeier erzählen!
Ich bin so aufgeregt, dass meine Beine zu kicken und meine Arme zu rudern beginnen. Ich sehe aus, wie eine Art verrückt gewordener menschlicher Hubschrauber.
Catherine druckt die Informationen aus und verstaut sie in der Büchertasche, die hinten an meinem Rollstuhl befestigt ist. »Viel Glück, Melody!«, flüstert sie, als ihre Arbeitszeit vorbei ist.
Als ich nach der Schule aus dem Bus steige, wartet Mrs V. wie üblich auf mich. Bei dem Versuch, auf meine Tasche zu zeigen, um ihr mitzuteilen, dass etwas Wichtiges darin steckt, verrenke ich mich so arg, dass ich fast aus meinem Rollstuhl falle.
»Immer langsam mit den jungen Pferden!«, sagt Mrs V. »Seit wann kannst du es kaum abwarten, Hausaufgaben zu machen? Warum bist du heute so aus dem Häuschen?«
Ich grinse nur und strample. Nachdem ich meinen Snack, Karamellbonbons (als Erstes) und Thunfisch-Käse-Sandwich (zum Schluss), gegessen habe, und nachdem Penny, die gerade von ihrem Mittagsschlaf aufgewacht ist, ihren Apfelbrei gegessen hat, zieht Mrs V.
endlich
die Papiere aus meiner Tasche.
»Nun ja, das ist ganz genau, was du brauchst«, sagt Mrs V. und klatscht die Ausdrucke auf den Tisch, nachdem sie sie gelesen hat. »Kein Wunder, dass du so aufgedreht bist.«
Ja! Ja! Ja! , deute ich. Dann zeige ich auf die einzelnen Wörter: Sprechen. Mit. Mom. Und. Dad. Sprechen. Sprechen. Sprechen.
»Genau das werde ich tun, Melody. Gleich wenn sie aus der Arbeit kommen«, verspricht Mrs V.
Ich kann es kaum erwarten. Während Penny zuschaut, wie das Krümelmonster in der
Sesamstraße
Karotten statt Kekse verschlingt, träume ich von sprechen, sprechen, sprechen.
Als Mom uns abholt, hält Mrs V. ihr Versprechen. Sie zeigt Mom nicht nur die Ausdrucke, sondern hat auf ihrem Computer sogar schon die Webseite aufgerufen, auf der der Medi-Talker angeboten und verkauft wird. Penny sitzt auf Moms Schoß und drückt auf die Tastatur, veranstaltet Chaos auf dem Bildschirm, was mir auf
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