Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
besonders stark haben wollen, lehnen wir mit der Abneigung etwas besonders stark ab, wollen es auf keinen Fall haben. Dadurch werden wir ebenfalls unfrei. In diesem negativen Gebundensein müssen wir stets aufpassen, dass uns dieser Mensch oder dieses Ereignis nicht trifft. Wir befürchten etwas und machen uns Vorstellungen von dieser Begegnung und vertrauen nicht auf unsere Fähigkeit, auch aus diesem Ereignis das Beste machen zu können.
Angst vor dem Tod . Der Tod, genauso wie das langsame Verschwinden und Sich-verabschieden-Müssen von Fähigkeiten, die im jüngeren Alter noch selbstverständlich waren, trifft uns alle mit Sicherheit. Was genau uns erwartet, können wir nicht wissen, wir können jedoch der Unausweichlichkeit dieses Ereignisses ins Auge sehen und uns vorbereiten, dann brauchen wir nicht aus Angst Dinge zu tun, die nur dem Vermeiden gezollt sind.
Das Menschenbild der Yoga-Philosophie kennt fünf Hüllen, die die Person umgeben; im Sanskrit sind es die fünf Koshas . Ich beginne mit der innersten Hülle, die die Yogis unseren Wesenskern nennen und vor dem sie sich respektvoll mit dem Namasté-Gruß verneigen: Ananda-Maya-Kosha , der »Freude-Körper«. Wenn wir die Identifikation mit unseren Ängsten, Sorgen und Problemen aufgeben und im reinen Sein ankommen – davon sind die Yogis überzeugt –, sind wir nur noch Freude, Offenheit, reine Liebe und fühlen uns verbunden mit allem. Matthieu Ricard hat diese ahnende Erinnerung mit folgendem Zitat wunderbar zum Ausdruck gebracht:
»Glück ist die vorübergehende Abwesenheit von inneren Konflikten. Dieser Augenblick, aus dem jeder Moment von Dringlichkeit, von emotionaler Bedrängnis gewichen ist, wird als tiefer Frieden empfunden.«
Eine Ahnung von diesem »paradiesischen« Gefühl, als wir uns noch ganz in der Einheit mit Gott und der Welt erlebten, können uns manchmal die Säuglinge vermitteln.
Dieses Menschenbild, nach dem jeder in seinem innersten Wesen glücklich und liebend ist, unterscheidet sich deutlich vom Menschenbild Darwin’scher Prägung. Es lässt sich nicht beweisen. Jedoch lebt es sich stressfreier damit. Da Glaubensüberzeugungen dazu veranlassen, nach Bestätigung in der Realität zu suchen, treffen Yogis auch eher auf Menschen, bei denen dieser göttliche Funke durch all das Alltägliche hindurchscheint. Der indische Namasté-Gruß, bei dem sich die aneinandergelegten Handinnenflächen vor der Mitte des Brustbeins, dem Herzraum, berühren, wird mit einer Verbeugung vor diesem inneren unverletzbaren Kern ausgeführt.
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Übung: Der Namasté-Gruß
Abb. 5: Der Namasté-Gruß
Ich verbeuge mich vor der Liebe und Weisheit deiner Seele.
Namasté – ich grüße in dir den Ort, wo das Universum weilt.
Namasté – ich grüße in dir den Ort der Weisheit, der Liebe und des Lichts.
Namasté – ich grüße in dir den Ort, wo, wenn du dich an diesem Ort in dir befindest und ich mich an jenem Ort in mir befinde, es nur Einen von uns gibt.
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Ahamkara , den »Ich-Macher« oder auch das Ego, nennen die Inder den Persönlichkeitsteil, in dem wir uns voneinander unterscheiden und für einzigartig halten. Aus einer Perspektive, in der wir auf das biografische und physische Gewordensein blicken, sind wir auch individuell und unterschiedlich. Es ist der vergängliche Teil von uns. In jedem Menschen gibt es jedoch auch diesen unsterblichen Teil, der uns verbindet, in dem wir glücklich und voller Liebe sind. Musik löst manchmal dieses Gefühl von ozeanischer Verbundenheit aus. Friedrich Schiller hat diesen Seinszustand mit dem Lied besungen:
»Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium, wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt …«
Dieser Wesenskern ist – einer Zwiebel gleich – von verschiedenen Hüllen (Sanskrit: Koshas ) umgeben. Die äußerste Hülle bildet Anna-Maya-Kosha (5. Hülle), die Nahrungshülle, der physische Körper, den wir sehen, messen und wiegen können. Er wird belebt von Prana-Maya-Kosha (4. Hülle), der Energiehülle, die Tag und Nacht unsere physiologischen Vorgänge aufrechterhält. Sie beeinflusst den physischen Körper und sorgt für Energie und Gesundheit bis zum letzten Atemzug, dann verlässt sie den Körper. Mano-Maya-Kosha (3. Hülle), besteht aus unseren Emotionen, unbewussten Gefühlen, Programmierungen und Vorurteilen, die uns durch Erziehung, Kultur usw. eingeprägt wurden. Tagsüber hat sie großen Einfluss auf
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