Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
zieht und es dem Ochsentreiber sehr schwer macht, den Karren dorthin zu lenken, wo er ihn haben will, ist es mit unserem Bewusstsein, unseren Sinnen und unserer Lust, etwas zu tun, von dem wir wissen, dass es gut für uns wäre. Die gute Botschaft ist aber: Durch Ruhe und Beharrlichkeit gelingt es dem Ochsentreiber schließlich doch noch, die Kraft des Ochsen durch seinen Willen zu zähmen bzw. die Kraft mit der gewünschten Zielrichtung zu einer gemeinsamen Aktion zu bündeln.
Das Symbol des Wagenlenkers, den wir aus der griechischen Kunst kennen, findet sich bereits in den alten Schriften der Upanishaden . Das höhere Selbst, unser reines Bewusstsein, ist der Wagenlenker und die Sinne sind die Pferde, die mal nach rechts und links ausbüxen wollen. Diese ziehen den Wagen, unseren Körper, so dass es ihm mal gut und mal schlecht geht, je nachdem, wohin unsere Aufmerksamkeit und unsere Sinne gerichtet sind. Das beobachtende, nicht wertende Bewusstsein sind die Zügel.
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Übung: Gedanken-Samen (Sanskalpa) pflanzen
Beginnen Sie damit, dass Sie sich einen Gedanken aussuchen, den Sie gerne häufiger denken wollen. Das kann z. B. ein Satz sein, der mit »Ich bin … (schön, stark, klug, liebenswert o. Ä.)« beginnt oder mit »Ich vertraue darauf, dass …«. Es kann aber auch eine Eigenschaft wie etwa Dankbarkeit, Lebensfreude, Zuversicht oder Mut sein. Wenn Sie Probleme mit Schlaflosigkeit oder Ängsten haben, sind Begriffe wie Ruhe, Geborgenheit, Schutz, Halt oder Wärme hilfreich. In der Sprache der Yogis heißt es: ein Sanskalpa (Sanskrit: »Samenkorn«) setzen.
Als nächsten Schritt können Sie eine für Sie passende Entspannungsübung aus Kapitel 4 auswählen und durchführen. Ein geistiges Samenkorn gedeiht am besten, wenn es in einen aufnahmebereiten, entspannten und integrierten Zustand des Geistes gesetzt wird. Besonders wirksam ist es, wenn Sie es im Anschluss an eine Yoga-Nidra-Übung (siehe den Abschnitt »Lösung durch Yoga Nidra – den ›Schlaf‹ der Yogis« in Kapitel 3) pflanzen.
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Für den Anfang empfiehlt es sich, Dinge zu wählen, die für Sie erstrebenswert sind, ohne dass noch ein anderes Gefühl im Hintergrund ist, das möglicherweise sich störend dazwischenschieben will. Wenn Sie z. B. gern denken würden»Ich bin klug/intelligent« und dabei ein Ärger auf einen Lehrer oder ein Elternteil mitschwingt, der das Gegenteil behauptet hat, ist es wichtig, diesen Ärger erst einmal loszulassen (mehr dazu im Abschnitt »Die eigene Kraft spüren und ausdrücken« in Kapitel 4). Wenn Sie sich einen Partner wünschen, aber insgeheim noch der unbewusste Gedanke viel Raum hat »Hoffentlich prügelt der mich nicht. Hoffentlich engt der mich nicht genauso ein wie der vorherige«, dann ist es sinnvoll, zunächst andere Übungen zu machen, denn das Unbewusste kennt ja bekanntlich das Wort »nicht« nicht.
Hilfreich ist es, wenn Sie sich schon vor Beginn der Übung vorstellen, wie sich das Gewünschte anfühlen könnte und woran Sie merken würden, dass diese Eigenschaft tatsächlich mehr Raum in Ihrem Leben hat. Ähnliches passiert ja auch in der Pädagogik: Sie haben eine Vorstellung davon, wohin sich das Kind entwickeln soll. Wenn Sie ein Kind zu mehr Mut erziehen wollen, werden Sie vermutlich aufmerksam darauf achten, wann Ihr Kind kleine Ansätze von Mut zeigt, und sich jedes Mal darüber freuen. Die in diese Richtung fokussierte Aufmerksamkeit macht das gewünschte Verhalten bei Ihrem Kind wahrscheinlicher. Genauso können Sie mit sich selbst umgehen. Achtsamkeit und Bewusstsein sind wichtiger »Dünger« für ein gewünschtes Verhalten.
Yoga übt vor allem das Fühlen und Spüren des Körpers. In diesem Zusammenhang komme ich nochmals zurück auf den schon erwähnten achtgliedrigen Pfad nach Patanjali: Nach den Empfehlungen für den Umgang mit der Welt (1. Stufe) und den Umgang mit sich selbst (2. Stufe), nehmen die Körper- und Bewegungsübungen (3. Stufe) und die Atemübungen (4. Stufe) einen großen Raum ein. Das Schulen und Verfeinern der Sinneseindrücke lässt die Welt bunter und vielfältiger werden. Auf der 5. Stufe des Patanjali-Pfades wird empfohlen, die Aufmerksamkeit nach innen zu richten. Das Zurückziehen der Sinne von der Außenwelt – im Sanskrit Pratyahara genannt – macht das Innenleben reicher. Indem Sie die subtilen Wirkungen des Außen auf die eigene Seele wahrnehmen, wird das Spüren feiner. Dies ermöglicht, immer klarer zu fühlen, was Ihrem Körper, Ihrer Seele
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