Mit Yoga Lebensaengste bewaltigen
»Nein, bitte lasst mich alle in Ruhe«? Wenn das Bedürfnis nach Rückzug genug Platz hatte, meldet sich dann oft ganz spontan ein Wunsch nach mehr Teilnahme. Wie viel der eine oder andere an Rückzug und Offenheit für die Welt braucht, ist sehr unterschiedlich, jedoch ist es meistens so, dass jeder Mensch beides braucht.
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Yoga ist weniger ein bestimmtes Tun als eine innere Haltung. Es ist die Haltung der Achtsamkeit. Die Achtsamkeit zeichnet sich durch eine spezielle Form von wacher Bewusstheit aus. Sie ist nicht wertend, begrüßt interessiert und wertschätzend jeden neuen Gedanken, jedes Gefühl, jede Körperempfindung, aber auch jede neue Situation und jeden im Gesichtsfeld neu auftauchenden Menschen. Die Körperhaltung wird genauso wahrgenommen wie der Atem, das Innenleben genauso wie das Außenleben. Übend wird zunächst ein Fokus, ein Zentrum der Aufmerksamkeit, gewählt, das achtsam ins Gewahrsein genommen wird. Das kann eine Alltagshandlung wie Spülen, Putzen oder Arbeiten am Computer sein. Diese Haltung kann durch achtsames Gehen geübt werden oder durch die Beobachtung, wie der Atem durch die Nase ein- und wieder ausströmt. Von der Konzentration, die alles außer dem Konzentrationsobjekt ausschließt, unterscheidet sich die Achtsamkeit dadurch, dass mit zunehmender Übung immer mehr in die achtsame Wahrnehmung hineingenommen werden kann, etwa das Wetter, meine Nachbarin, die Zeit, in der wir leben usw. 33
Affirmationen
Affirmationen sind positive Sätze in Ich-Form oder auch Wörter, die die seelische Qualität einer körperlichen Geste zum Ausdruck bringen, z. B. in den Drehübungen die Sätze: »Ich kann mich entscheiden, wohin ich schaue. Flexibel sein heißt, beide Seiten sehen und akzeptieren.« Affirmationen verbinden die Bewegung mit dem Bewusstsein und vertiefen ein Gespür für die Übung im Hier und Jetzt. In der Sprache der Yoga-Philosophie helfen sie, Mano-Maya-Kosha, unsere emotionalen Programmierungen, zu kultivieren und Vijnana-Maya-Kosha, dem Bewusstseinskörper, mehr Erdung zu verleihen und mit Prana-Maya-Kosha, dem Energiekörper, zu verbinden. Affirmationen entwickeln und stärken das zweite Kosha, das uns befähigt, in der eigenen Gestaltung schöpferisch tätig zu werden. In die Sprache der Psychologie übersetzt heißt das: Sie vertiefen positive Gefühle und verankern diese körperlich.
Ich habe in meiner Praxis viel mit traumatisierten Patientinnen und Patienten gearbeitet, die ihre Spürfähigkeit aus Schutzgründen sehr zurückfahrenmussten. Affirmationen waren für sie eine sehr hilfreiche Vorgabe, sie konnten anhand dieses Wegweisers ahnen, in welche Richtung sie fühlend suchen können. Für Menschen, die ihre Spürfähigkeit gesund entwickeln konnten, wirkte die Arbeit mit Affirmationen manchmal zu direktiv. Sie erlebten es eher als störende Vorgabe oder als eine Art Fremdhypnose, die inneren Widerstand wachrief. Und es ist gut, wenn gespürt wird: Das passt nicht für mich.
Ich verwende in diesem Buch öfters Affirmationen. Spüren Sie bitte hin, ob die Angebote für Sie stimmig sind. Es sind meine Worte, und jeder hat einen eigenen Sprachschatz. Wenn etwas in das innere System übernommen werden soll, muss es in die eigene Sprache übersetzt werden. Dies gilt natürlich in noch stärkerem Maße für Leserinnen und Leser aus einem anderen Kulturkreis. Wenn Deutsch nicht die Muttersprache ist, ist es besonders wichtig, die Worte nur als Anregungen zu verstehen, und die Vorgaben, die ja das Intuitive, Unbewusste erreichen wollen, in die eigene Sprache zu übersetzen. Falls die angegebenen Sätze für Sie nicht passen, wäre es gut, wenn Sie nicht völlig auf eine Formulierung in dieser Denkrichtung und mit dieser seelischen Qualität verzichteten, sondern versuchen würden, Ihre eigene zu finden.
Eine Wirkung in Worte zu fassen, klärt, vertieft und verankert diese im Körper. Es stärkt die Mentalisierungsfähigkeit, die dabei hilft, Gefühle zu kontrollieren. Wir konstruieren uns unsere Wirklichkeit und unser Erleben zum größten Teil unbewusst. Durch die Wahl von geeigneten Bildern und Worten machen wir etwas dingfest und können die Konstruktionen, die unser Erleben und unsere Wirklichkeit prägen, bewusst gestalten. Die Erinnerung an unangenehme oder gar traumatische Erlebnisse löst Verwirrung im Denken aus, was wiederum die Handlungsfähigkeit sehr einschränkt. Der Traumaforscher Onno van der Hart hält es daher für sehr wichtig, die Denk- und
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