Mitch - Herz im Dunkeln
Frage gerade.
Sie forderte ihn heraus – ihre Worte waren ein Test. Sie wollte bloß wissen, ob er es konnte.
Und er konnte es nicht.
Mitch antwortete ehrlich: „Ich fürchte, das verstehe ich nicht ganz. Aber wenn Sie mir genau erklären, was gemacht werden muss, kann ich …“
Sie hatte sich bereits zum Gehen gewandt. „Fantastisch“, sagte sie. „Einfach unglaublich.“ Sie drehte sich wieder zu ihm um. „Wollen Sie mir etwa weismachen, dass Sie keine Ahnung haben, wie man ein Pferd abkühlt?“
„Ich lerne schnell“, erwiderte er ruhig. „Und Sie haben zu wenig Helfer …“
„Zu wenig Verstand anscheinend auch.“ Kurz flackerte der Zorn in ihren Augen auf, den er vorhin gesehen hatte. Aber Frustration und Enttäuschung schienen größer zu sein. „Verdammt! Verdammt! “
Mit ihrer Enttäuschung wurde Mitch schwerer fertig. Ihr Zorn wäre ihm lieber gewesen. „Ich wollte Ihnen nichts vormachen.“ Er konnte es ihr nicht erklären. Wie sollte das gehen?
Sie lachte nur, als sie Stormchaser die Satteldecke abnahm. „Na klar! Los, gehen Sie und passen Sie auf, dass Brown wirklich seine Sachen packt. Er wohnt in Nummer 12. Begleiten Sie ihn zum Büro, und anschließend erledigen Sie Ihre Arbeit im Stall. Und kommen Sie mir für den Rest des Tages nicht mehr unter die Augen! Ich kann mich jetzt nicht damit befassen – wir unterhalten uns morgen.“
Mitch verstand vielleicht nichts von Pferden, aber er wusste genau, wann eine Situation Schweigen erforderte.
Er verließ den Stall. Heute Morgen war er erneut ohne Vergangenheit erwacht, ohne Namen, ohne zu wissen, wer er war. Doch irgendwie fühlte er sich jetzt noch leerer.
3. KAPITEL
E s war schon zwei Uhr morgens durch, und irgendwer hämmerte an ihre Tür.
Becca setzte sich auf, tastete im Dunkeln nach der Taschenlampe, fand aber nichts. Das Hämmern ging weiter – ein regelrechtes Trommeln, begleitet von einer schrillen Stimme, die ihren Namen rief. Becca sprang aus dem Bett und wäre auf dem Weg durch das dunkle Zimmer zum Lichtschalter beinah gestolpert.
Sie schnappte sich ihren Bademantel vom Haken neben ihrem Kleiderschrank und öffnete die Tür.
Die vierjährige Ashley Alden stand vor der Fliegentür. Tränen liefen ihr über die Wangen. „Chip ist weg“, jammerte sie.
Becca zog das Mädchen hinein und schloss die Fliegentür rasch wieder, bevor die gesamte Moskitopopulation New Mexicos ebenfalls in die Küche kam. „Weg? Wohin?“
„Das weiß ich nicht! Ich sollte aufpassen, aber ich bin eingeschlafen. Und als Mom und Dad nach Hause kamen, war Chip verschwunden! Er hat die Decke von seinem Bett genommen – ich glaube, er spielt Cowboy und schläft irgendwo draußen.“ Ashley tat ihr Bestes, um die Tränen zurückzuhalten. Aber schon füllten sich ihre Augen erneut. „Und jetzt streiten sie sich, und ein Unwetter zieht auf. Jemand muss Chip finden, bevor er vom Blitz getroffen wird!“
Das Mädchen hatte vollkommen recht. Es zog tatsächlich ein Gewitter auf, Becca konnte das Donnergrollen schon in der Ferne hören. Auch wenn Blitze natürlich gefährlich waren, war das momentan ihre kleinste Sorge. Wenn Chip sein Bett in einer der Schluchten oder einem der ausgetrockneten Flussbetten aufgeschlagen hatte … Es musste nicht einmal hier regnen, um die Schluchten und Flussbetten zu fluten. Es reichte schon, wenn es ein ganzes Stück flussaufwärts regnete.
Becca schaute zur Küchenuhr. Viertel nach zwei. Offenbar hatten die Aldens bis zur Sperrstunde in der Kneipe hier in der Gegend gefeiert. Wenn es so war, würden sie bei der Suche nach ihrem Sohn keine große Hilfe sein.
Erneut war Donnergrollen zu hören, diesmal näher.
Wie dem auch sei: Sie würde alle verfügbaren Kräfte brauchen.
Becca zog eine Jeans an und stopfte das Nachthemd in die Hose, während sie ihrer Assistentin am Telefon eine Reihe von Anweisungen erteilte. „Weck Dwayne und Belinda! Sag ihnen, sie sollen die Pferde satteln. Die Suche wird leichter zu Pferd.“ Sie zog ihre Stiefel an und setzte ihren Hut auf. „Ich wecke die Männer im Mannschaftsquartier.“
Die Busfahrt dauerte endlos lange. Doch als der Fahrer den Kontrollpunkt am ersten Zaun erreichte, wünschte Mitch sich, die Fahrt wäre noch nicht zu Ende. Er machte die Augen zu, denn er wollte nicht sehen, wie sich das Tor hinter ihm schloss – und ihn einsperrte. Er ließ die Augen geschlossen. Es hatte keinen Zweck, die Wachleute anzusehen oder die Wachtürme und Sicherheitszäune. Er
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