Mitch - Herz im Dunkeln
Botschaft: Sie brauchte jede Hilfe, die sie bekommen konnte, selbst die eines Taugenichts und Lügners.
Er schwang die Beine aus dem Bett und zog seine Jeans an und das T-Shirt, das er gestern getragen hatte. Dann zog er seine Stiefel an, während Becca schon wieder aus dem Zimmer lief. Er folgte ihr und holte sie rasch ein. Der Donner grollte weiter. Die Gäste und Angestellten, die sich vor dem Ranchbüro versammelt hatten, schauten besorgt zum dunklen Himmel.
Becca teilte sie rasch in zwei Gruppen und schickte sie in verschiedene Richtungen. Einige zu Pferd, andere zu Fuß.
„Suchen Sie im Stall und in den Gemeinschaftsräumen“, befahl sie Mitch, ehe sie sich gekonnt auf ein Pferd schwang und davonritt.
Er hörte die Stimmen der Suchtrupps, die sich in die Dunkelheit aufmachten. Sie riefen laut, in der Hoffnung, den schlafenden Jungen aufzuwecken.
Mitch war von Becca mit der bedeutungslosesten Aufgabe betraut worden. Er wusste, dass sie nicht annahm, der Junge würde im Stall, im Speisesaal oder gar im Freizeitraum mit den Videospielen gefunden werden. Aber irgendwer musste auch dort nachsehen, und dieser jemand war er.
Also ging er zunächst in den Stall.
Stormchaser war das einzige noch verbliebene Pferd in den Boxen. Sie spitzte neugierig die Ohren, als sei sie überrascht von diesem Trubel noch vor dem Morgengrauen.
Es war Stormchasers Box gewesen, die Mitch ausgemistet hatte, als Chip am Nachmittag im Stall aufgetaucht war, um ihn zum Satteln der Pferde zu überreden.
Mitch erstarrte, denn ihm fielen die Worte des Jungen wieder ein. Ungefähr eine halbe Meile östlich von hier gibt es diese riesigen, unheimlich aussehenden Felsen. Die sehen aus, als würden die Finger eines Riesen aus der Erde ragen …
An der Stallwand hing eine Reliefkarte der Ranch, und Mitch fuhr rasch mit dem Zeigefinger darüber, auf der Suche nach der von Chip beschriebenen Felsformation. Er konnte Karten lesen und fand etwas, eine gute halbe Meile in nordöstlicher Richtung von der Ranch entfernt. Das könnten die Felsen sein. Die Stelle befand sich unmittelbar neben einem tief liegenden Gelände – das trockene Flussbett.
Es donnerte, noch näher diesmal. Die ersten schweren Regentropfen prasselten aufs Stalldach.
Wenn Chip sein Lager in dem Flussbett aufgeschlagen hatte …
Mitch rannte hinaus zur Koppel, aber alle waren schon fort. Er hörte ihre Stimmen in der Ferne. Die meisten suchten in südlicher Richtung.
Er kehrte zurück in den Stall, wo neben dem Tor eine große Taschenlampe hing. Doch selbst damit würde er zu Fuß in dem unwegsamen Gelände nicht schnell genug vorankommen.
Er drehte sich um und sah Stormchaser direkt in die Augen. Sie wieherte leise, als ein Blitz am Himmel grell aufleuchtete, dicht gefolgt vom Donnergrollen.
„Ja, mir gefällt dieses Wetter auch nicht“, sagte Mitch zu dem Pferd und öffnete die Boxentür. „Aber ich weiß genau, wo sich dieses Kind aufhält. Also muss ich da raus. Was sagst du – tun wir uns zusammen?“
Stormchaser widersprach nicht. Natürlich erklärte sie sich auch nicht einverstanden.
„Ich habe so etwas noch nie gemacht.“ Mitch nahm Zaumzeug vom Haken an der Wand und sprach mit leiser, beruhigender Stimme, so wie er Becca mit dem Pferd hatte reden hören. „Aber ich hatte gestern Gelegenheit genug, es mir anzusehen. Lass es uns also versuchen, ja?“
Als Mitch näher kam, bleckte das Tier die Zähne.
„Ich glaube, diese Gebissstange muss hinter deine Zähne, nicht davor“, sagte Mitch und blieb bei seinem beruhigenden Tonfall. „Ich glaube, die anderen haben dich hier ein wenig gestreichelt, um dich abzulenken … und dir das Ding ins Maul zu schieben. Na bitte … Braves Pferd! Gut gemacht!“
Stormchaser schnaubte und kaute missmutig auf der Gebissstange.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass das besonders angenehm ist“, fuhr Mitch fort und warf eine Satteldecke auf ihren kräftigen braunen Rücken. „Wahrscheinlich ist das alles kein besonderes Vergnügen für dich. Besonders, nachdem dieser Idiot dich heute Nachmittag so behandelt hat.“
Er nahm den Sattel aus der Halterung und legte ihn vorsichtig auf die Decke. Dann schloss er den Sattelgurt am Bauch des Tieres. Wie er es bei den anderen Ranchhelfern beobachtet hatte, ließ er Stormchaser Zeit, sich zu entspannen. Erst dann zog er den Gurt strammer.
Die Steigbügel schienen die richtige Länge für seine Beine zu haben, daher warf er die Zügel über den Kopf des Pferdes und
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