Mitch - Herz im Dunkeln
Busbahnhof. Von dem Platz aus, an dem er geparkt hatte, konnte er Schließfach Nummer 101 durch die dunkel getönte Windschutzscheibe des Vans und durch das Fenster des Busbahnhofs gut im Auge behalten. Es handelte sich nicht um die unauffälligste Überwachung, aber es war besser, als auf einem der verdreckten Plastiksitze im Busbahnhof zu sitzen, für jeden Vorbeifahrenden sichtbar. „Ich habe euch erst in ein paar Stunden erwartet.“
„Man kann sich nicht nur von M&Ms aus dem Automaten ernähren“, meinte Wes und kramte in den Tüten. „Deshalb haben wir dir zur Feier des Tages Essen von ‘Texas Stan’s’ mitgebracht.“
Mit schwungvoller Geste überreichte er Lucky einen großen Behälter mit Chili und eine Plastikgabel.
„Wow, das ist nett von euch! Was feiern wir eigentlich?“, fragte Lucky, der den Deckel des Behälters abnahm. Das Essen duftete köstlich.
„Cat hat sich gemeldet“, berichtete Wes, den Mund schon voll scharfer Rindfleisch-Enchiladas.
Lucky ließ beinah das Chili fallen. „Ist Shaw etwa aufgetaucht?“
„Nein“, sagte Bobby auf dem Rücksitz. „Wir haben gute Neuigkeiten, aber so gut nun auch wieder nicht. Der Captain hat eine Nachricht von deiner Schwester für dich.“
„Von Ellen?“
„Ja.“ Wes nahm sich eine Dose Cola, um damit das Feuer in seinem Mund zu löschen. Lucky wusste aus Erfahrung, dass ‘Texas Stan’s’ Enchiladas nur ein bisschen weniger scharf waren als das Chili. „Sie rief an, um dir mitzuteilen, dass sie heiraten wird.“
Das brachte Lucky zum Lachen. „Ja, klar, Skelly! Sehr witzig. Was wollte sie wirklich?“
„Im Ernst“, meinte Bobby. „Deine Schwester hat sich verlobt. Ich habe sie vom Motel aus angerufen, und sie hörte sich sehr glücklich an.“
„Der Typ ist ein College-Weichei“, bemerkte Wes.
Die zwei machten tatsächlich keine Witze. Lucky stellte vorsichtig den Behälter mit dem Chili hin. „Ellen ist noch nicht alt genug, um zu heiraten. Sie ist erst … wie alt?“ Er musste nachrechnen. „Mann, sie ist mal gerade zweiundzwanzig.“
„Meine kleine Schwester Colleen ist auch zweiundzwanzig.“ Wes biss erneut von seiner Enchilada ab. „Ann frr’s hrr errrurr mmrr.“
„Colleen ist sehr wohl alt genug, um zu heiraten“, entgegnete Bobby, der seinen Freund offenbar trotz vollem Mund verstanden hatte. „Ihr zwei seht in euren kleinen Schwestern noch das zehnjährige Mädchen. Für euch ist irgendwie die Zeit stehen geblieben. Aber andere Männer sehen zwei sehr heiße, ganz und gar erwachsene Frauen.“
Wes schluckte den Bissen herunter und drehte sich zum Rücksitz um. „Colleen? Heiß? Niemals! Als ich das letzte Mal zu Hause war, hatte sie sich gerade das Knie beim Skateboardfahren aufgeschrammt. Die ist der reinste Wildfang und weiß ja nicht mal, dass sie ein Mädchen ist. Zum Glück.“
„Ach komm schon, Skelly!“ Bobby lehnte sich nach vorn, wodurch der ganze Van schaukelte. „Erinnerst du dich noch daran, wie wir sie auf dem College besucht haben? Die Jungs mochten sie, und zwar sehr. Die schneiten ständig in ihr Zimmer. Hast du das etwa schon vergessen?“
„Sie ist eine großartige Mechanikerin. Die Jungs kamen, um sie zu bitten, ihre Autos zu reparieren“, erwiderte Wes. „Das ist nicht dasselbe.“
„Ich werde Ellen auf gar keinen Fall heiraten lassen!“, sagte Lucky grimmig.
„Vielleicht ist sie schwanger“, vermutete Wes. „Vielleicht hat das Weichei sie geschwängert.“
Lucky warf ihm einen finsteren Blick zu. „Du solltest dir überlegen, ob du es nicht mal in der Grußkartenbranche versuchst. Du verstehst es nämlich hervorragend, stets das Richtige zu sagen.“ Er bedachte Bobby im Rückspiegel mit einem bedrohlichen Blick. „Warum isst du eigentlich nicht?“
„Er geht wieder mit seinem Supermodel essen.“
Bobby grinste gelassen. „Ihr Name ist Kyra.“
„Ich hasse dich“, sagte Wes. „Erst bringst du mich dazu, mit dem Rauchen aufzuhören. Und jetzt das.“
„Ich tausche Kyra gegen Colleen.“
Wes schnaubte verächtlich. „Ja, das würdest du glatt bringen.“ Er wandte sich an Lucky. „Ich habe heute eine E-Mail von einem SEAL bekommen, der das BUD/S-Training zusammen mit dem Priester absolviert hat.“
Ellen würde heiraten. Lucky schüttelte ungläubig den Kopf.
„Genau genommen“, erklärte Wes, „hat dieser Typ – er heißt Ruben – die Ausbildung absolviert, aber der Priester – Mitch – nicht.“
Das ließ Lucky aufhorchen. „Wie
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