Mitch - Herz im Dunkeln
nicht an, dass in das Jackett ein Namensschild eingenäht ist?“ Becca lachte. „Nein, wahrscheinlich nicht. Ist vermutlich schon ein paar Jahre her, dass deine Mom dich ins Sommercamp geschickt hat.“
Mitch brachte nur ein schwaches Lächeln zustande. „Ich weiß, dass du zurück zur Ranch musst …“
„Ich kann Hazel anrufen, dann weiß ich, wie viele Gäste da sind. Vielleicht kann ich mir noch ein paar Tage freinehmen. Laut letztem Stand war die Woche nicht so gut gebucht. Falls also kurzfristig eine ganze Reisegruppe reserviert hat, muss ich nicht sofort wieder zurück.“
Sie fuhr auf den Motelparkplatz und hielt in der Nähe ihres Zimmers. Dann sah sie Mitch beinah herausfordernd an. „Es sei denn, du willst nach wie vor, dass ich verschwinde.“
Mitch stieg aus dem Wagen. Er wollte nicht länger als nötig dort sitzen bleiben, für jedermann sichtbar wie auf dem Präsentierteller. „Ich will auf keinen Fall, dass du in die Schusslinie gerätst. Wenn jemand es auf mich abgesehen hat …“
„Dann lass uns beide aus Wyatt City verschwinden.“ Becca musste fast rennen, um mit ihm Schritt halten zu können. „Und zwar auf der Stelle.“
Er schloss die Zimmertür auf, und sie traten ein.
Drinnen war es angenehm kühl und dunkel nach der grellen, heißen Nachmittagssonne. Sie hängten ein Bitte nicht stören!- Schild an den Türknauf. Das Bett war noch zerwühlt von der Nacht, und der Boden mit Kondomverpackungen übersät.
Mitch machte die Tür zu und begehrte Becca plötzlich genauso heftig wie in der Nacht zuvor, als er zu ihr gegangen war.
Nein, das stimmte nicht.
Er begehrte sie noch mehr.
Und das wusste sie. Sie küsste ihn sanft, ihre Lippen streiften seine nur, während sie sich auf unmissverständliche Weise an ihn schmiegte. Für den Fall, dass er es noch nicht begriffen hatte, sagte sie: „Warum warten wir nicht einfach bis heute Abend und brechen dann auf? Wir können uns Zeit lassen, ein Nickerchen machen, zum Beispiel.“
Mitch packte sie und drückte sie an sich. Er küsste sie wild, damit sie verstand, welche Wirkung sie auf ihn hatte. „Du willst schlafen?“
Becca grinste, froh darüber, dass er die Anziehung zwischen ihnen nicht länger zu ignorieren versuchte. „Na ja, wir könnten ein Nickerchen machen. Aber eins nach dem anderen …“
Sie löste sich von ihm, nahm die Einkaufstüte, die er hatte fallen lassen, und ging damit zu dem kleinen Tisch neben dem Fenster. „Ach das ist der Geruch, den ich in der Nase habe.“ Sie nahm das Jackett heraus und hielt es hoch. Es war steif vor Dreck und fleckig. Und es stank. „Wow, wenn du auch nur annähernd so gerochen hast, als du in dem Obdachlosenasyl aufgewacht bist, dann verstehe ich deinen Spitznamen. Jarell hat dich nämlich gar nicht ‘Mission Man’ genannt, sondern ‘E mission Man’.“
Sie reichte ihm das Jackett, und er verzog das Gesicht. „Oh Mann! Tut mir leid – ich kann es nach draußen bringen, wenn du willst.“
„Nein, es geht schon. Schließlich arbeite ich mit Pferden“, erinnerte sie ihn und zog das Hemd aus der Tüte. „Ich habe bloß einen Scherz gemacht, als ich von den Namensschildern sprach. Aber manchmal heften die Reinigungen einen Zettel mit dem Namen des Kunden an die Hemden.“
Doch sie fand nichts. Das weiße Hemd war vollkommen ruiniert, denn es wies zahlreiche braune Flecken von getrocknetem Blut auf. Mitchs Blut.
Er war angeschossen worden und hatte blutend in einer dunklen Gasse gelegen. Jemand hatte ihn umbringen wollen. Die Vorstellung ängstigte sie auch nachträglich noch.
„Schau in den Jackentaschen nach“, riet sie ihm.
„Leer“, sagte er, nachdem er nachgesehen hatte. „Aber … hier scheint etwas eingenäht zu sein. Hier unten am Saum.“
Er hielt die Stelle hoch, und tatsächlich, da war etwas Hartes. Es war klein, aber fest.
„In meiner Tasche habe ich ein Schweizermesser“, sagte sie. Doch er hatte den Saum schon aufgerissen.
Ein Schlüssel war darin eingenäht, ein großer Schlüssel, vielleicht für ein Hotelzimmer oder ein Schließfach. Die Nummer 101 war darin eingestanzt.
Mitch riss das ganze Futter aus dem Jackett, fand aber nichts mehr. Keine Botschaften, keine Zettel, nichts. Er wog den Schlüssel in der Hand. „Wollen wir wetten, dass dieser Schlüssel zu einem der Schließfächer im Busbahnhof gehört?“ Seine Stimme verriet, dass er sich ziemlich sicher war, einen entscheidenden Hinweis gefunden zu haben.
„Das ist doch großartig“,
Weitere Kostenlose Bücher