Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
«Sie erleben das anders?»
B: «Ach, ich sehe das alles nicht so verbissen. Klar, wenn wir zu jemandem sagen: ‹Sie sind für diese Aufgabe doch besonders gut geeignet›, dann weiß jeder, dass das vor allem gesagt wird, um jemanden zu motivieren. Das Auge zwinkert sozusagen dabei – das ist so ’ne Art Spiel, finde ich.»
A: «Vielleicht nehme ich das zu ernst – aber irgend etwas ärgert mich doch daran.»
C (zu A): «Ich bin froh, dass Sie das mal angesprochen haben. Ich finde, wir haben oft so eine Art zu witzeln, wenn es heikel wird. Ich mache da dann oft mit, obwohl ich ein ungutes Gefühl habe. Zum Beispiel neulich …» usw.
Übung
Dies ist eine Vorübung für Metakommunikation: Wenn Sie das nächste Mal ein Gespräch geführt haben, das Ihnen etwas «unter die Haut» gegangen ist, machen Sie sich anschließend ein paar Notizen, etwa zu folgenden Punkten:
Wie habe ich mich gefühlt während des Gesprächs? Was waren die Auslöser für diese Gefühle? War ich mir darüber im Klaren, was mein Anliegen, meine «Botschaft» war? Habe ich sie vermitteln können? Was hätte ich im «Klartext» am liebsten sagen mögen? Was hat mich daran gehindert? Was würde ich jetzt, nach dem Gespräch, gerne noch loswerden? Welche Phantasien habe ich darüber, welche Notizen sich der andere jetzt machen würde?
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Teil B
Ausgewählte Probleme der zwischenmenschlichen Kommunikation
In diesem Teil B wollen wir jede der vier Seiten noch einmal für sich betrachten und einige ausgewählte psychologische Probleme erörtern, die sich jeweils damit verbinden. Im Gegensatz zum systematisch aufgebauten Teil A kann dieser Teil B interessengeleitet und in beliebiger Reihenfolge gelesen werden. Der Aufbau des Teils B ist aus folgendem Strukturbild erkenntlich:
I.
Die Selbstoffenbarungsseite der Nachricht
Sobald ich etwas von mir gebe, gebe ich etwas von mir . Jede Nachricht enthält (auch) eine Selbstoffenbarung – dies ist ein existentielles Phänomen, durch das jedes Wort zum Bekenntnis und jede Äußerung zur Kostprobe der Persönlichkeit wird. Diese Selbstoffenbarung kann mehr oder weniger bewusst, mehr oder weniger reichhaltig und tiefgreifend und mehr oder weniger getarnt und versteckt sein – aber sie kann nicht nicht sein.
Ich erlebe es wieder und wieder, dass allein das Wort «Selbstoffenbarung» Unruhe und Abwehr auslöst: «Soll hier etwa ein seelisches Striptease stattfinden?» Tatsächlich kostet den Sender wie den Empfänger der Umgang mit dieser Seite viele Energien. Sie ist psychologisch brisant.
Ich möchte die kommunikationspsychologischen Probleme der Selbstoffenbarung überwiegend aus der Sicht des Senders darstellen. Er sieht vor seinem geistigen Auge den Empfänger mit gespitztem Selbstoffenbarungs-Ohr (vgl. Abb. 20, S. 59) und steht vor der bangen Frage: «Wie stehe ich in den Augen des anderen da?» Über dieses fast allgegenwärtige Phänomen der Selbstoffenbarungsangst soll im Folgenden zuerst gesprochen werden (Kap. 1, S. 110ff.). In einem Exkurs soll die Entstehung dieser Angst in der kindlichen Sozialisation zurückverfolgt werden. Sodann stellt sich die Frage: Wie geht der Sender mit dieser Selbstoffenbarungsangst um, welche Selbstdarstellungs- und Angstabwehrtechniken stehen ihm zur Verfügung? Hier wird von Techniken der Selbstdarstellung die Rede sein, und es wird sich zeigen, dass der Sender – in allzugroßer Besorgtheit um diese Seite – sehr viele Energien für ihre Gestaltung verbraucht (Kap. 2, S. 118ff.). Die Auswirkungen dieser seelischen Energieverschwendung werden sowohl für die Sache als auch für die Mitmenschlichkeit als gefährlich dargestellt (Kap. 3, S. 129). Worin besteht die Alternative? In Kapitel 4 (S. 130ff.) werden kommunikationspsychologische Wegweiser vorgestellt und diskutiert, die eine bessere Verständigung ermöglichen sollen. Es zeigt sich, dass der Appell «Sei du selbst» nur dann befolgt werden kann, wenn dem Sender zunächst einmal eine Selbstoffenbarung vor sich selbst gelingt. Anders ausgedrückt: Um anderen den Zugang zu mir zu erlauben, muss ich erst einmal den Zugang zu mir selbst gefunden haben und immer aufs Neue finden. – Wenn auch ein solches Ziel utopisch ist, so ist doch eine Annäherung möglich. Hier stellt sich die Frage nach den Wegen zur Selbsterkenntnis (Kap. 5, S. 140ff.).
1.
Selbstoffenbarungsangst
Die emotionale Belastung des Senders wird am deutlichsten in Situationen, die hauptsächlich
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