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Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Titel: Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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selbst benutze, sind sie nützliche Wegweiser und Erinnerungen. Sobald ich aber anfange, «Kommunikationspolizei» zu spielen und die «Regelverstöße» bei anderen zu ahnden, missbrauche ich die Regeln zu einem Kampfinstrument. Dieser Missbrauch «dient dem Geist, den sie (die Regeln) bekämpfen möchten» (Cohn ebd., S. 128) – s. Abb. 42.

    Abb. 42:
    Interaktionelle Hilfsregeln sind keine kommunikationspolizeilichen Knüppel.
    5.3
    «In der Blöße liegt die Größe»
    Sicher ist es von Vorteil, wenn in Selbsterfahrungs-, Trainings- und Therapiegruppen ein Übungsraum bereitgestellt wird, in dem wir lernen können, mehr zu uns selbst zu kommen und uns unbesorgter nach außen hin darzustellen. Jedoch ist hier auf eine Gefahr aufmerksam zu machen. Diese sehe ich darin, dass die Gruppenmitglieder bald merken, dass in der Gruppe eine andere Norm herrscht als im üblichen Alltagsleben: Hier gilt etwas, wer frei über seine Probleme sprechen kann und auch die weniger ansehnlichen Seiten seiner Person wahrnimmt und ausdrückt. Hier ist aufzupassen, dass nicht eine neue, musterschülerhafte Anpassung an die neuen Normen erfolgt – nach dem Motto: «In der Blöße liegt die Größe!» – und dass die Selbstoffenbarung der Probleme zum Markenzeichen einer neuen Psycho-Schickeria wird.
    Ich erinnere mich, wie ich einst an einer themenzentrierten Selbsterfahrungsgruppe teilnahm. Am ersten Tag, so war es ausgemacht, wollten wir uns kennenlernen durch unsere Arbeit. Als ich «dran» war, erzählte ich von allerlei Schwierigkeiten, mit denen ich zu kämpfen hätte, und sprach von persönlichen Unzulänglichkeiten, diese Schwierigkeiten zu bewältigen. Hinterher habe ich mich erstaunt gefragt: Warum hast du die Schwierigkeiten so betont? So insgesamt fühlst du dich doch ziemlich kompetent und wohl an deinem Arbeitsplatz! – Die Antwort, die ich darauf fand, war diese: Überwiegend hatten sich die anderen Gruppenteilnehmer auch von der unperfekten Seite vorgestellt. Unbewusst hatte ich gleichsam «den angefeuchteten Finger im Gruppenwind» gehabt, hatte also mit feinen Antennen die heimlichen Normen der Gruppe gespürt und mein seelisches Fähnlein danach ausgerichtet.
    Es ist also darauf zu achten, dass die neuen Werte (Authentizität) nicht zu einer Art Pflichtprogramm werden, zu einer neuen Mess-Skala, auf der es Pluspunkte zu erringen gibt. Was als Prozess der persönlichen Befreiung, der inneren Emanzipation gedacht ist, verkümmert auf diese Weise zur neuen Anpassungsleistung. Wiederum fließt die Energie in die Selbstdarstellung (wenn auch mit neuem Inhalt) und wird nicht frei. Aus diesem Grunde sollte auch das «Lernziel Authentizität» nicht an die große Glocke gehängt werden, sollte nicht mit großen Lettern auf der Flagge stehen. Und schon gar nicht sollte ein großer Druck ausgeübt werden, um dieses Ziel zu erreichen. Denn «Echtheit» ist ein Spontan-Phänomen, d.h., es kommt von selbst und kann nicht appellgemäß erfolgen (s. Nachwort, Punkt 7, S. 308). Jedes willkürliche «Bemühen» um Echtheit verdreht sein Wesen und erzeugt allenfalls «Echtheits-Fassaden» mit stereotypen Formulierungen («Ich fühle jetzt eine große Wand zwischen dir und mir»), die auf irgendeine Art «künstlich-echt» wirken und wegen ihres impliziten Anspruches auf Echtheit schlimmer sind als die «normale Fassade» (siehe ausführlich S. 308f.).

II.
    Die Sachseite der Nachricht
    Welche kommunikationspsychologischen Probleme stellen sich beim Austausch von Sachinformationen, was kann hier schiefgehen?
    Zwei Probleme greife ich heraus. Erstens, Gespräche und Auseinandersetzungen verlaufen häufig «unsachlich» bzw. den Kommunikationspartnern fällt es schwer, «ganz bei der Sache» zu sein. Zweitens, übermittelte Sachinformationen kommen beim Empfänger auf Grund von Schwerverständlichkeit nicht an. Somit ergeben sich zwei Themen und Trainingsziele: Sachlichkeit und Verständlichkeit. Welche Angebote hält die Kommunikationspsychologie bereit, diesen Zielen näherzukommen?
    1.
    Sachlichkeit
    «Mir geht es nur um die Sache!», hören wir manchen Sender eifrig versichern. Je eindringlicher diese Versicherung, umso mehr Zweifel ist am Platze. Angesichts der Vierseitigkeit von Nachrichten und angesichts der Tatsache, dass es Menschen (und keine Computer) sind, die miteinander kommunizieren, geht es selten wirklich nur um die Sache.
    Mit Sachlichkeit ist gemeint: Der auf ein Sachziel bezogene Austausch von

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