Miteinander reden 01 - Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation
berufsmäßigen Beeinflusser, die Werbefachleute? Eine Analyse bundesrepublikanischer Werbesendungen (Schulz von Thun u.a. 1975) ergab: Direkte, offen ausgesprochene Appelle («Trink Coca-Cola!») waren eher selten. Stattdessen standen drei Prinzipien im Vordergrund, die von grundlegender Bedeutung sind: 1. Vormachen, 2. Konsequenzen darlegen und 3. Assoziationen stiften:
Vormachen
In einem Großteil der Werbesendungen werden Personen gezeigt, die das vom Sender gewünschte Verhalten (Kauf- oder Konsumverhalten) vormachen. Gerechnet wird mit der Imitationsbereitschaft des Empfängers. Diese ist, wie Untersuchungen bestätigen, umso größer, je attraktiver und ansehnlicher die vormachende Person (= das sog. Verhaltensmodell, kurz: Modell) wirkt. Tatsächlich sehen die Modelle in den Werbespots überwiegend jung, gepflegt und hübsch aus. Wir stoßen hier auf die Tatsache, dass die Imagepflege auf der Selbstoffenbarungsseite der Nachricht auch die Chancen auf der Appellseite erhöht.
Das Lernen am Modell spielt auch eine sehr große Rolle in der Erziehung. Hervorhebenswert ist, dass Eltern und Erzieher auch dann – und gerade dann – auf das Kind Einfluss nehmen, wenn sie darauf gar nicht abzielen. Etwa dann, wenn sie rauchen und trinken, wenn sie bei «Rot» über die Straße laufen, wenn sie bei Konflikten einander in einer gereizten Form herabsetzen und beschimpfen, wenn sie bestimmten Themen ausweichen oder wenn sie übertriebene Angst vor gewissen Ereignissen erkennen lassen. Ein berühmter Witz verdeutlicht die Problematik (s. Abb. 77). Ein Vater legt aufgebracht seinen Sohn über das Knie, der seinen jüngeren Bruder geknufft hatte. Während er ihn prügelt, ruft er: «Ich werde dich lehren, Schwächere zu schlagen!»
Abb. 77:
Ein Vater «lehrt» seinen Sohn, Schwächere «nicht» zu schlagen.
Tatsächlich ist er just dabei, seinen Sohn dieses zu lehren, nämlich durch sein eigenes Verhaltensmodell. Vormachen ist wirksamer als alles «Predigen».
Konsequenzen in Aussicht stellen
In den Werbesendungen wird fast immer gezeigt oder gesagt, welche Vorteile das Konsumverhalten dem Empfänger (angeblich) einbringt. Nach dem Gebrauch einer bestimmten Zahnpasta hat der junge Mann mit seinem Mundgeruch kein Problem mehr und erlebt ein Rendezvous mit einem entzückenden jungen Mädchen. Eine glückliche Familie am Frühstückstisch: «Die Liebe Ihrer Kinder erreichen Sie durch Homa-Gold!» (Margarine). Das neue Bohnermittel macht alles blitzblank und erzeugt ringsum fröhliche Gesichter.
Die Darlegung von Konsequenzen ist ein sehr allgemeines Prinzip und beruht auf der Erkenntnis, dass Verhaltensweisen sich am Erfolg orientieren, durch angenehme Konsequenzen gefördert und durch unangenehme unterdrückt werden. Die Einhaltung von Verhaltensnormen wird durch Modellverhalten in Verbindung mit Konsequenzdarlegung weitgehend sichergestellt: «Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig anzueignen, wird wegen Diebstahls bestraft.» Dieser Paragraph aus dem deutschen Strafgesetzbuch enthält den Appell: «Du sollst nicht stehlen!» Die Wirksamkeit dieses Appells ist in Verbindung mit der Strafandrohung zu sehen. Aber auch jegliche Überredungs- und Überzeugungsversuche enthalten Konsequenzdarlegungen.
Wenn der Sender Konsequenzen in Aussicht stellt, legt er seiner Sendung bestimmte Annahmen über die Motivation des Empfängers zugrunde. Denn was würde es nützen, Konsequenzen in Aussicht zu stellen, die den anderen nicht «hinter dem Ofen hervorzulocken» vermögen? Teilweise unterscheiden sich die Menschen erheblich darin, was für sie erstrebenswert und vermeidenswert ist. Eine bestimmte laute Musik versetzt den einen in einen glückseligen Rausch, der andere hält sich entsetzt die Ohren zu. Die Aussicht, gelobt zu werden, ist für ein Kind aus der Unterschicht oft kein nachhaltiger Anreiz – auf einen Bonbon dagegen spricht es an, beim Kind aus der Mittelschicht ist es umgekehrt.
Für welche Dinge ein Mensch empfänglich ist, hängt zunächst von seiner Lerngeschichte ab und dann auch davon, in welchen Bereichen seine Bedürfnisse weitgehend befriedigt sind und in welchen nicht.
Tendenziell gilt die Maslow’sche Regel , dass mit der Befriedigung lebensnotwendiger materieller Bedürfnisse (genügend Luft, Essen, Schlaf, materielle Sicherung) mehr psychische Bedürfnisse nach Liebe, Anerkennung und Selbstverwirklichung in den Vordergrund treten.
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