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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Auftrag? Ist die Zusammensetzung stimmig, das heißt, in Übereinstimmung mit Anlass (1.), Thema (2.) und Zielsetzung (4.)? Wer fehlt? Warum? Bei welchen der Anwesenden ist unklar, warum bzw. wozu er dabei ist?
    Besonders beachtenswert ist die Tatsache, dass die anwesenden Personen unterschiedliche «Hüte» auf dem Kopf tragen (s. Abb. 88, S. 327). Damit will ich ihre situationsbezogene Rolle symbolisieren. Nehmen wir ein Beispiel, wo diese Rollen besonders deutlich hervortreten: vor Gericht. Bei einem Strafprozess gibt es den Vorsitzenden Richter, die Beisitzer, den Angeklagten, den Staatsanwalt, den Strafverteidiger, vielleicht einen Nebenkläger mit seinem Anwalt, dann gibt es Sachverständige, die «gehört», Zeugen, die «vernommen» werden, schließlich Gerichtsdiener und die Öffentlichkeit. Durch Sitzordnung und Kleidung (zum Beispiel Roben) sind die unterschiedlichen «Hüte» der Anwesenden relativ gut zu unterscheiden. Im beruflichen Bereich ist das viel schwieriger zu erkennen, weil alle im gleichen Outfit um denselben ovalen Tisch herumsitzen. Daher kann es überaus wichtig sein, die «Hutordnung» der Anwesenden zu Beginn zu klären.

    Am Beispiel des Gerichts ist gut zu erklären, was unter einer situationsbezogenen Rolle verstanden werden soll: Beim Richter und beim Staatsanwalt stimmen ihre normale Berufsrolle und ihre Rolle in dieser Situation überein, ebenfalls bei den Anwälten. Jedoch der Hauptabteilungsleiter eines Großunternehmens: hier (vor Gericht) ist er Angeklagter (und hat sich als solcher zu verhalten); der Polizist: hier ist er als Zeuge; der Leiter einer psychiatrischen Klinik: hier ist er als Sachverständiger. Im beruflichen Bereich ist das gang und gäbe: So kann ein Vorstandsmitglied Teilnehmer an einer Fortbildungsveranstaltung, der Chef einer Personalentwicklung Moderator einer Teamentwicklung sein.
    Es ist diese situative Rolle , welche meine Vorstellung davon prägt, was mein Beitrag zu einer Situation sein sollte und wie er vorzubringen ist. Sie ist gleichsam der Treffpunkt von Person (mit ihrem Inneren Team) und Situation. Zuweilen wird das kompliziert, nämlich wenn jemand zwei (oder mehr) «Hüte» gleichzeitig auf dem Kopf trägt. So gibt es zum Beispiel bei der Ausbildung von Referendaren zum Lehramt einen Seminarleiter. Dieser ist einerseits Förderer und Supervisor (sodass die Referendare sich mit ihren Sorgen, Nöten, Zweifeln und Schwächen ihm anvertrauen sollten), andererseits aber auch berufsentscheidender Prüfer und Bewerter (sodass die Referendare gut beraten sind, eine gute Figur abzugeben und nicht allzu viel Zweifel und Schwächen preiszugeben). Solche unsichtbaren Doppel-Hüte werfen für alle Beteiligten oft große, meist verschwiegene Probleme auf. Nahezu verrückt wird die Situation, wenn der Seminarleiter zu erkennen gibt, dass ein guter Lehrer in seinen Augen fähig sein muss, eigene Schwächen wahrzunehmen und zu bearbeiten. Wohlgemerkt, solche menschlichen Komplikationen liegen in den Rollen begründet, nicht in den Eigenarten der Menschen.

    4. Die Ziele. Die Treffen, von denen wir hier sprechen, finden nicht um ihrer selbst willen statt: Es soll etwas dabei herauskommen, zum Beispiel eine Entscheidung, eine Vereinbarung, ein Konzept, ein gemeinsamer Informationsstand, eine bestimmte Handlungsbereitschaft bei der Zielgruppe.
    Die Haupt- und Nebenziele, die die Anwesenden in das Treffen hineintragen, werden nicht alle gleich sein – auch das gehört zur «Wahrheit der Situation»; daher ist in Abbildung 88 das Geflecht der Ziele durch ein Fadengewirr symbolisiert. Zur Erleichterung einer situationsgerechten Kommunikation ist es dienlich, wenn der Leiter seine Zielsetzung des Treffens allgemeinverbindlich herausstellt, unter Umständen auch, was nicht die Zielsetzung sein soll. Zum Beispiel: «Es soll heute (noch) nicht darum gehen, Lösungen zu erarbeiten. Sondern den Ist-Zustand so deutlich wie möglich zu beschreiben, mit all seinen Aspekten – sodass wir sehen können, ob Handlungsbedarf besteht, und wenn ja, wo!»

    Abb. 88:
    Situationsmodell mit vier Komponenten
    Der Gehalt einer Situation ergibt sich aus diesen vier Komponenten; ich spreche auch gern, ein Wort Karin van der Laans aufgreifend, von der «Wahrheit der Situation» (vgl. «Miteinander reden 1», S. 139) und meine damit die Summe all jener Umstände, welche in der Situation enthalten sind, ihren Schwerpunkt definieren und die psychische Realität der Anwesenden

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