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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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Folge-Richtigkeit des kommunikativen Vorgehens. Es ist nicht beliebig, wer zuerst spricht und wozu er etwas sagt. Die Logik der Situation ergibt sich aus ihrem vierfachen Gehalt, und sie gebietet bestimmte Reihenfolgen, in menschlicher und thematischer Hinsicht.

6.3
    Die Eingebundenheit der Situation in einen systemischen Kontext
    Die «Wahrheit einer Situation» wäre nur unvollständig zu erkennen, wenn wir nicht auch die Eingebundenheit einer Situation in ihr Gesamtsystem vor Augen haben. Denn die Teilnehmer einer Situation begegnen einander nicht nur mit unterschiedlichen «Hüten» (= situationsbezogenen Rollen), sondern sie tragen auch verschiedene unsichtbare «Uniformen» – je nach Zugehörigkeit zu ihrem Subsystem. Und manche hängen an unsichtbaren Marionettenfäden: Sie sprechen nicht aus eigener Souveränität, sondern halten weisungsgebunden die Stellung für jemand anderen oder für eine Institution. Die eigentlichen Kraftfelder der Begegnung liegen dann nicht in der Situation selbst. Wir tragen diesem Umstand Rechnung, indem wir das Situationsmodell umrahmen und Platz lassen für das «systemische Drumherum» (s. Abb. 90, S. 334):

    Abb. 90:
    Die Situation im Kontext des Systems/der Systeme
    Die Verkaufstrainerin und die abwertenden Männer
    Ein Beispiel für die Bedeutung der Systemeingebundenheit sozialer Situationen: Eine Frau leitet eine Fortbildungsveranstaltung für Verkaufsberater in Buchläden. Das Thema: Wie können wir den Umsatz steigern, nachdem in letzter Zeit in einigen Regionen eine sinkende Tendenz zu verzeichnen war? Sie unterbreitet ihren ausschließlich männlichen Teilnehmern einige neue Ideen. Zum Beispiel soll dem Kunden an der Kasse des Buchladens die Alternativfrage gestellt werden: «Möchten Sie unser Sonderangebot des Monats gebunden oder broschiert?» – auch wenn der Kunde keinen Wunsch nach dem Sonderangebot geäußert hat. Die Trainerin berichtet: Einige Teilnehmer, die schon die ganze Zeit recht grimmig und verächtlich aus der Wäsche geguckt hätten, würden auf sie in anmaßender und abwertender Weise reagieren: Das sei doch alter Wein in neuen Schläuchen, das bringe doch gar nichts – dazu abwehrende Handbewegungen und Getuschel untereinander. Sie kenne schon ihre Pappenheimer, es wären immer dieselben, die alles abtun würden, es offenbar auch nicht abkönnten, wenn eine Frau ihnen etwas beibringen wolle. Aber was tun? Wie geht frau mit solchen Leuten um?
    Eine gute Kommunikationsberatung beginnt mit einer doppelten Erkundung: Erstens, wie ist der äußere Kontext dieser Situation beschaffen? Und zweitens, wie der innere Kontext der ratsuchenden Frau: Wer alles meldet sich in ihr und besetzt die innere Bühne? Auf diese Beratung mit doppeltem Kontext komme ich noch zu sprechen – hier interessiert uns zunächst der äußere Kontext: die Situation und ihre Eingebundenheit in das größere System. Eine Befragung darüber ergibt folgendes Bild (s. Abb. 91): Die Verkaufstrainerin ist Angestellte des Verlags, gehört zur Weiterbildungsabteilung und nimmt regelmäßig an einer Runde teil, in welcher Marketingspezialisten die neuen Verkaufsstrategien entwickeln und festlegen. Was dort erdacht und beschlossen wird, soll sie im Rahmen der Fortbildung an den Mann bringen, sprich: den Verkaufsberatern verkünden und das Vorgehen mit ihnen einüben. Diese Verkaufsberater, ehemals Angestellte des Verlags und inzwischen freie Honorarkräfte, sind jeweils einem oder mehreren Buchhandlungen zugeordnet. Ihre schwierige Aufgabe besteht darin, die Inhaber der Buchhandlungen verkaufsstrategisch zu beraten und für das vom Verlag empfohlene Vorgehen zu werben. Schwierig ist diese Aufgabe deshalb, weil die Inhaber sich häufig gegen solche Taktiken sperren – sie lehnen es aufgrund ihres Berufsethos ab, für die Ware Buch «wie für ein Waschmittel» zu werben.

    Abb. 91:
    Systemischer Kontext einer Fortbildungsveranstaltung
    Dies alles vor Augen, erkennen wir, dass die Verkaufsberater in dem ganzen System «zwischen den Stühlen» sitzen, einen latenten Konflikt zwischen Verlag und Buchhandel ausbaden und insgesamt eine beklagenswerte Rolle spielen. Die Fortbildungsinhalte leiten Wasser auf diese Konfliktmühle; und die angebotene Rollenaufteilung – oben die «Ausdenker», hier die «Verkünderin» und sie selbst, die «Ausführenden» – ist degradierend, da ihre Berufserfahrung bei der Strategieentwicklung unberücksichtigt bleibt. Wir können also annehmen,

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