Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

dass sie die Fortbildung mit mehr oder minder großer Erbitterung über sich ergehen lassen (müssen). Jede Äußerung von Unmut und Verachtung lässt sich vor diesem situativ-systemischen Hintergrund voraussagen und nachvollziehen: Die Teilnehmer machen böse Miene zum bösen Spiel. Will die Verkaufstrainerin situationsgerecht reagieren, muss sie dies alles in Betracht ziehen und darf nicht hoffen, mit Geduld und guten Worten die Fortbildung in sinnvolle Bahnen zu lenken, ebenso wenig durch das Anprangern von «Flegelhaftigkeit» der Teilnehmer. Ich greife auf dieses Beispiel wieder zurück, wenn ich die «doppelte Erkundung» demonstriere (s. S. 370), an dieser Stelle reicht die Erkenntnis, dass die Wahrheit einer Situation nur im Kontext gesamtsystemischer Zusammenhänge erspürt werden kann. Solange wir diese nicht durchschaut haben, können wir mit der Kommunikationsberatung (oder Selbstberatung) nicht beginnen. Genauer gesagt: Die Erkundung des Kontexts ist bereits ein wichtiger Teil der Beratung.

6.4
    Fehlaufstellungen im Hinblick auf bestimmte Situationen
    Situationsgerechte Kommunikation setzt voraus, dass es mir gelingt, eine dem Gehalt der Situation entsprechende Mannschaft aufzustellen und sie zu einem guten Zusammenspiel zu bringen. Angenommen, unsere Verkaufstrainerin hätte im vorigen Beispiel nur eine empfindliche Mimose , eine männerkritische Feministin und eine durchsetzungsfähige Frontkämpferin auf ihrer Bühne zur Verfügung, dann würde sie mit diesem Trio wahrscheinlich alles noch schlimmer machen.
    Wie aber ist zu ermitteln, welche die richtige Aufstellung wäre? Ist sie situationslogisch ableitbar, gibt es die eine richtige Aufstellung? Und gäbe es sie, wie wäre sie innerlich zu realisieren?
    Es scheint leichter, das Situationsgemäße dadurch näher einzukreisen, dass wir Typen von Verfehlungen bestimmen. Zwei Grundkonstellationen sind denkbar und empirisch vorhanden:
     
Jemand (in mir) fehlt, der in dieser Situation (und meiner Rolle darin) angebracht wäre ( innere Vakanz ).
Jemand (in mir) kommt dazwischen, der in dieser Situation (und meiner Rolle darin) unangebracht ist ( innere Fehlbesetzung ).

    Oft kommt beides zusammen, aber betrachten wir diese Möglichkeiten gesondert.
    Innere Vakanzen
    «Genau das hat mir in der Situation gefehlt!», höre ich manchmal jemanden sagen, der mit seinem Verhalten nachträglich unzufrieden ist und die Situation später reflektiert. Manchmal handelt es sich nur um einen bestimmten Satz, den man gern gesprochen, oder eine Frage, die man gern gestellt hätte. Dann lohnt es sich zu schauen: Welcher innere Mitarbeiter wäre in der Lage gewesen, eine solche Äußerung zu tun? Meist ist ein passender in der Gesamtmannschaft durchaus vorhanden, wurde aber in dieser Situation nicht aufgestellt.
    Beispiel: Jemand hält einen Vortrag. Seine ihm wesensgemäßen und zur Situation passenden Teammitglieder haben nach und nach die innere Bühne besetzt: Ein sachlicher Referent steht neben einem Unterhaltungskünstler , der humorvolle Einlagen macht; hinzu kommt als Dritter ein väterlicher Freund , der die Informationen mit guten Empfehlungen für die Zuhörer verbindet. So weit gut, das Trio arbeitet Hand in Hand. Nun passiert es, dass ein Hörer aggressiv unterbricht und zum Beispiel in den Saal ruft: «Das ist doch überhaupt nichts Neues, damit kommen Sie zwanzig Jahre zu spät! Alter Wein in neuen Schläuchen!»
    Der Vortragende ist verdattert, gekränkt, voller Selbstzweifel und Empörung zugleich. Er gerät in ein Patt, lässt in seiner Not den Sachreferenten sprechen, der nun umständlich herausarbeitet, was daran neu sei. Dieses innere Teammitglied soll etwas leisten, wofür es nicht geschaffen ist: eine konfliktäre Situation meistern. Was hat hier gefehlt, wer hat hier gefehlt? Das oben genannte Trio braucht einen Leibwächter im Bereitschaftsdienst, der im Fall eines unerwarteten «Überfalls» sofort zur Stelle ist und das Trio schützt. Wie dieser Leibwächter ausgerüstet ist, über welches Repertoire er verfügt, wie er reagieren könnte: das alles sind wichtige Fragen, aber Hauptsache, es ist einer da!
    Wenn ich einen Leibwächter dabeihabe, kann ich solchen Überfällen mit Gelassenheit entgegensehen, vielleicht sogar mit einem diebischen Vergnügen. Zu meiner persönlichen Leibgarde gehören
     
einer, der sofort Sach- und Beziehungsebene auseinanderhält und zunächst auf der Beziehungsebene reagiert, sodann auf der Sachebene. Zum