Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Er gab einen knurrenden, gereizten Laut von sich. Statt nun etwa im Rollenspiel eine günstige Gesprächsweise zu üben, hielt ich es für angebracht, diesem Knurrlaut genauer nachzugehen, um womöglich die Antwort mit der inneren Wahrhaftigkeit des Antwortenden zur Deckung zu bringen. Welche «Botschaft» verbarg sich in dem Knurrlaut? «Mögen Sie mal versuchen, diesen Laut in Worte zu fassen?» Er begann: «Immer solche Extrawürste, das ist bei dem Mann ja nicht das erste Mal, das will mir ganz und gar nicht in den Kopf! Es ist auch schon rein aus Prinzip schlecht möglich – wenn das alle machen würden, dann hätten wir samstags Hochbetrieb! Aber man will dann auch wieder kein Prinzipienreiter sein und sich auf stur stellen, verstehen Sie?»
Ob er mal, schlug ich vor, die Stimme, die sich jetzt in ihm meldete und sagte «Sei doch kein Prinzipienreiter!», ob er diese Stimme auch einmal zu Wort kommen lassen mochte? Was sagte die noch alles? – «Die sagt: Wenn der Mitarbeiter das selbst so wünscht, warum soll ich ihn dran hindern? So wie jeder nach seiner Fasson selig werden soll, so soll jeder sich auch nach seiner Fasson motivieren! Als Vorgesetzter werde ich doch dafür bezahlt, dass ich Bedingungen schaffe, unter denen Mitarbeiter aufblühen können. – Aber da …», unterbrach er sich, «kommt dann gleich wieder die andere Stimme und sagt: ‹Das kann ja nun nicht bedeuten, dass ich jedem eine Extrawurst brate.›» Und so weiter.
Zum ersten Mal zeichnete ich am Flipchart einen Mann mit zwei Männchen in seinem Inneren:
Abb. 13:
Zwei Stimmen im Abteilungsleiter
Und ich kommentierte: «Das sind Sie, der Chef, und in Ihnen melden sich diese beiden Stimmen wie zwei Seelen in der Brust. Man könnte auch sagen: Da melden sich zwei Mitarbeiter aus Ihrem Inneren Team. Der eine steht für klare Prinzipien und für geordnete Verhältnisse (‹Gleiches Recht für alle!›), der andere für Flexibilität und Respekt vor der Unterschiedlichkeit der Menschen (‹Jedem das Seine!›). So weit, so gut! Das Problem ist nur: Beide haben recht und sind sich nicht einig, wie hier zu handeln und zu antworten ist.»
«Ja, und nun?», fragte der Abteilungsleiter. «Jetzt hat er ein Problem mit sich selbst!», witzelte ein Kollege aus der Gruppe.
«Jetzt hat er erst einmal ein Problem mit sich selbst, und das ist gut so!», sagte ich. «Denn nur, wenn wir ‹alle beisammen haben›, können wir auf Probleme (und auf Menschen) angemessen und differenziert reagieren. Und die, die wir beisammen haben, sind sich fast nie einig. Wichtig ist nun, diese innere Uneinigkeit eine Zeitlang auszuhalten. Ich sage ‹aushalten›, weil das durchaus ein quälender Zustand sein kann, und ein Teil Ihrer Gereiztheit, die sich in dem Knurrlaut offenbarte, ging gewiss auf das Konto dieses inneren Konflikts, in den der Mitarbeiter Sie gebracht hat! Wir sind meist auf Leute schlecht zu sprechen, die in uns eine Unstimmigkeit erzeugen. Die Verführung wäre jetzt groß, diesen quälenden Zustand dadurch zu beenden, dass Sie eine der beiden Wortmeldungen als Quatsch abtun und dann mit der Wucht dessen, der nur eine Wahrheit kennt, dem Mitarbeiter begegnen. Dadurch würde sowohl innerlich als auch zwischenmenschlich etwas auf der Strecke bleiben, und die Sachlösung wäre wahrscheinlich auch nicht optimal.»
«Aber man muss doch zu Entscheidungen kommen und kann nicht ewig innere Dialoge führen!?», wandte ein Kollege ein. Antwort: «Unbedingt! Wenn ich sage, es komme darauf an, diese innere Uneinigkeit eine Zeitlang auszuhalten, dann meine ich damit: Nimm dir so viel Zeit, wie nötig ist, um alle inneren Experten zu dem Thema zu hören und sie miteinander in Kontakt kommen zu lassen. Sodann muss der Chef hier (ich zeigte auf den Kopf am Flipchart, vgl. Abb. 13) entscheiden und handeln. Aber jetzt ist die Chance größer, dass er Lösungen findet, die beide inneren Kontrahenten befriedigen oder die so sind, dass beide damit leben können, wie man so schön sagt.»
«Wie könnte denn eine solche Lösung aussehen?» Antwort: «Keine Ahnung. Die Expertenrunde hat ja noch gar nicht getagt, und ohnehin müssten wir zuvor dem (äußeren) Mitarbeiter noch genauer aktiv zuhören, wie er seine Situation empfindet, denn vielleicht verbirgt sich hinter dieser organisatorischen Anfrage eine menschliche Not, die wir noch nicht kennen. Aber angenommen, der Chef würde zu dem Antrag schlussendlich ja sagen, dann könnte er Zusätze von der Art
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