Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Klasse ging es ja hoch her in der letzten Stunde!», sagte der Rektor zum Referendar mit einigermaßen freundlicher Stimme. Der angesprochene Sachinhalt war klar (Turbulenz und Lautstärke im Klassenzimmer, offenbar bis nach außen vernehmbar). Aber welche Selbstkundgabe (Entsetzen?), welche Beziehungsbotschaft (Kritik, Anerkennung?), welcher Appell («Erzähl mal, was los war!» oder «Bitte mehr Disziplin in Zukunft!») steckte in der Äußerung?
Abb. 11:
Undurchschautes inneres Durcheinander führt zu unklaren Kommunikationsquadraten (vgl. Schulz von Thun 1983, S. 279f.)
Der Referendar hatte schnell geantwortet; erst später fragte er sich: «Was hat er mir damit eigentlich sagen wollen!?»
In einer späteren Metakommunikation stellte sich heraus, dass der Rektor tatsächlich durch den Lärm beunruhigt und genervt war, gleichzeitig aber auch Hoffnung in einen neuen Junglehrer setzte, der mit seiner frischen Art dem vergreisten Kollegium vielleicht eine Vitaminspritze geben könnte. Und drittens schließlich wollte er nicht gleich am ersten Tag als kritische Kontrollinstanz auftreten. Aus diesem selbst nicht durchschauten inneren Durcheinander war die freundliche Bemerkung mit doppeltem Boden und der «unklaren Quadratur» entstanden. Wir sehen: Innere Pluralität ist auch im beruflichen Alltag allgegenwärtig, ohne dass immer tiefenpsychologisches Material tangiert wäre, und als herbeigerufene Klärungshelfer besteht ein Großteil unserer Arbeit in der Hilfe zur Selbstklärung (Thomann und Schulz von Thun 1988, S. 54ff.).
Trotz all dieser Erkenntnisse und Hintergründe hat sich mir die Lehre vom Inneren Team erst später erschlossen. Sie «ergab sich» in den achtziger Jahren bei der Beratung von Führungskräften (s. auch Schulz von Thun 1996).
Die Beratung von Führungskräften mit Hilfe des Inneren Teams
Als Resultat meiner Lehrzeit bei Ruth Cohn (vgl. Cohn und Schulz von Thun 1994, S. 47f.) lautete einer meiner wichtigsten Glaubenssätze: «Menschenführung beginnt bei mir selbst (wenn sie auch dort nicht endet)!»
Entsprechend hatte ich, sowohl für konkrete Kommunikationsprobleme als auch allgemein für die Auseinandersetzung mit der Führungsrolle, einen Wilhelm-Busch-Merkvers gereimt:
Willst du ein guter Leiter sein,
dann schau auch in dich selbst hinein!
– statt, so lautete der Nachsatz, mit geschulter Technik motivierend, pädagogisierend, psychologisierend, manipulierend am anderen herumzudoktern!
Oft war es aber nicht einfach, Führungskräfte für diese «Philosophie» zu begeistern. Ihre Stärke, ihr Stolz und Ehrgeiz lagen verständlicherweise in der effektiven Kontrolle des organisatorischen Geschehens und ihrer Mitarbeiter, im zielsicheren Eingreifen und Steuern. Eine Schulung der Kommunikation war insoweit erwünscht, als durch die «Macht des Wortes» diese Kompetenz gesteigert und verfeinert werden konnte. Durch den Appell zur Selbstreflexion hingegen sahen sich viele «auf der Couch» landen, zu einem Patienten werden, der erst seine Neurosen heilen sollte, bevor er auf die Menschheit losgelassen werden durfte. Es war nicht so leicht, dieses «Schau auch in dich selbst hinein!» als professionelles Werkzeug für Gesunde und Tüchtige darzustellen, die ein erfolgreiches Wirken nicht zuletzt auch ihrer integren Persönlichkeit und ihrem geklärten Rollenverständnis zu verdanken haben.
Die Skepsis solcher Führungskräfte gegen die Philosophie der Selbsterkundung verwandelte sich aber oft in Faszination, wenn ich das Bild des Inneren Teams als anschauliches und greifbares Modell anbot. Nun wurde plötzlich deutlich: Jede(r) Vorgesetzte hat es mit zwei Teams zu tun, beide können ihm (oft gleichzeitig) zu schaffen machen – und es kommt darauf an, die Entwicklung des einen mit der des anderen zu verbinden:
Abb. 12:
Jeder Vorgesetzte hat es mit zwei Teams zu tun (und beide können ihm zu schaffen machen!)
Ich erinnere mich an ein Beispiel aus einem Kommunikationsseminar für Führungskräfte, in dem mir Mitte der achtziger Jahre wohl zum ersten Mal die Idee kam, das Innere Team als Leitvorstellung zu nehmen. Ein Abteilungsleiter fragte: «Wie kann ich mit einem Mitarbeiter reden, der bei mir immer wieder ankommt und eine Sondergenehmigung will, auch am Wochenende ungestört in der Firma zu arbeiten, weil er sonst die gesteckten Termine nicht erreichen würde? Welchen Ton schlägt man da am besten an?»
Ich fragte: «Wie reagieren Sie denn innerlich auf diese Anfrage?»
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