Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
machen: ‹… und zwar unter folgenden Bedingungen: erstens, zweitens, drittens› – das wären dann wahrscheinlich alles Punkte, die der Prinzipienmensch zu Protokoll gegeben hätte. Oder angenommen, er würde die Bitte letztlich abschlagen; dann könnte er trotzdem mit beiden inneren Mitarbeitern ins Gespräch gehen und zum Ausdruck bringen, dass er zwar den Antrag ablehnen müsse, sich aber doch Gedanken gemacht habe, wie er ihm, dem Mitarbeiter, in seiner besonderen Situation gerecht werden könne – ob es vielleicht noch andere Lösungen gäbe etc. – Für den Mitarbeiter als Menschen würde diese Art von Kontakt wohltuender sein, als wenn er nur vom Prinzipienreiter mit den Worten ‹Keine Extrawurst, wenn da jeder käme!› abgespeist worden wäre.»
Das Gesprächstraining, das heißt die Einübung eines angemessenen Dialogverhaltens, setzt eine innere Vorarbeit voraus. Wie viele Gespräche und Kontakte im Berufsleben mögen tagtäglich stattfinden, in denen mindestens einer der beiden Partner eine selbst nicht durchschaute oder nur diffus gespürte «innere Uneinigkeit» mitbringt, mit der Folge, dass er erstens unklar und zweitens gereizt und grimmig kommuniziert?
Der vorgeschaltete innere Einigungsprozess hat oft zur Folge, dass Vorgesetzte das Gespräch jetzt gern führen, weil sie sich in ihrer Haut wieder wohlfühlen. Ein «Gesprächstraining» mag sich dann in vielen Fällen erübrigen; zwar längst nicht immer, aber doch vielfach trifft zu:
Es trägt Verstand und rechter Sinn
mit wenig Kunst sich selber vor!
(Goethe: Faust 1)
Literatur und Dichtung
Wenn von Vorläufern und Wegweisern des Modells vom Inneren Team die Rede ist, dann darf der Hinweis nicht fehlen, dass in Literatur und Dichtung die Erkenntnis von der inneren Pluralität des Menschen häufig durchscheint und zum Teil ausdrücklich zum Thema wird. Von Hesses «Steppenwolf» war schon die Rede (S. 54), von Stevensons «Dr. Jekyll und Mr. Hyde» soll noch berichtet werden (S. 186f.). Genannt sei auch Tolstoi, der zum Beispiel in seinem Roman «Krieg und Frieden» immer wieder die «inneren Stimmen» ausformuliert, die dem Handeln der Menschen vorangehen oder ihm nachfolgen, verbunden mit der Aussage, dass die «Einigkeit mit sich selbst» ein kostbares Entwicklungsziel darstelle, aber kaum je der reale Zustand sei.
Ein Streifzug durch die Literatur unter dem Gesichtspunkt der inneren Pluralität dürfte spannend und ergiebig sein – an dieser Stelle mag es ausreichen, den Klassiker zu diesem Thema vorzustellen, den «Faust» von Johann Wolfgang von Goethe. Aus ihm stammt ja das Zitat von den zwei Seelen in einer Brust, das wohl nur deshalb zum geflügelten Wort hat werden können, weil es das Erleben des Alltagsmenschen auf den Punkt bringt. – Zur Illustration des Teamgedankens eignet sich am besten das «Vorspiel» zu «Faust 1», in dem uns, so behaupte ich, der Dichter sein Inneres Team kundgetan hat, das er in sich am Werk gespürt hat, als er den «Faust» schrieb.
Wie er es verraten hat? Selbstverständlich hat er nicht im Jargon einer modernen Selbsterfahrungsgruppe gesagt:
Ich merke, das ist bei mir jetzt dran, dass ich wieder mal am «Faust» arbeite und die Sache zu Ende bringe. Ich merke aber auch, dass da bei mir ganz verschiedene Anteile sind, die da hochkommen:
Also, einmal spür ich da ganz deutlich den Wunsch, so etwas wie ewige Wahrheiten, die ich jetzt erkannt habe oder doch zumindest ahne, in einer geeigneten und stimmigen Form zu Papier zu bringen. Und das muss vor allem erst einmal für mich selbst stimmen, wie andere das finden, ist völlig egal. – Aber dann ist da sofort eine Tendenz, die sagt: «Nein, das soll auch ein großartiges Theaterstück werden, wo normale Leute gern hingehen und es toll finden»; und dieser Teil in mir will das Stück so schreiben, dass ein richtiger Kassenschlager daraus wird – und als alter Bühnenprofi weiß ich ja, wie man so was hinkriegt. – Und dann kommt manchmal noch so ein Schalk in mir hoch, der weder an ewigen Wahrheiten noch an großen Verkaufserfolgen interessiert ist, der sich einfach launig und kreativ anfühlt und der im Hier und Heute seinen Spaß haben will. – Ich merke bei mir, dass diese drei immer wieder da sind und ich beim Schreiben mal von dem einen, mal von dem anderen mehr beseelt bin, dass sie unablässig mit von der Partie sind und sich manchmal ganz schön ins Gehege kommen.
So hat er es nicht mitgeteilt. Was tut ein genialer
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