Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Allheilmittel. Manche Antwort ist an den gegebenen Augenblick gebunden. Wenn sie ihn nach einem Kinobesuch fragt:«Trinken wir noch ein Bier?», dann kann er schlecht sagen: «Ich werd’s mir überlegen, bis wann brauchst du die Antwort?» – Und manchmal steht das Thema zu einer Beziehung in einem solchen Verhältnis, dass der andere nicht nur das Ergebnis erwartet, sondern auch eine Teilhabe am inneren Prozess : «Hast du Lust, mit mir in Urlaub zu fahren?» Jetzt würde die Antwort «O.k. – ich gebe dir bis übermorgen Bescheid!» als überaus distanziert empfunden werden, weil die im Vorschlag auch enthaltene Beziehungsanfrage ohne spontane Resonanz bleibt.
Diese Überlegungen führen zur zweiten Alternative:
Offenbarung der Selbstklärung
Das Oberhaupt könnte sich dafür entscheiden, einen Teil der Teamkonferenz sogleich an Ort und Stelle einzuberufen und gleichsam öffentlich tagen zu lassen, zum Beispiel: «Einerseits geb ich dir das gern – warum sollen wir uns nicht gegenseitig ein bisschen Arbeit abnehmen?! Andererseits sträubt sich aber auch etwas in mir – mal sehen, ob ich das jetzt zu fassen kriege …» usw.
Abb. 17:
Offenbarung der Selbstklärung im Kontakt
Ob diese Art des lauten Denkens und Fühlens angesichts des Themas, der Situation, der Beziehung angebracht und stimmig ist, muss das Oberhaupt vorentscheiden. Wenn ja, bietet diese (Mut erfordernde) Reaktionsweise beträchtliche Chancen. Der andere bekommt mit, worum es geht, weiß, woran er ist (und zwar nicht nur auf der Sachebene, sondern auch auf der Beziehungsebene). Bei einigem Kommunikationstalent kann er als aktiv zuhörender und einfühlsam nachvollziehender Klärungshelfer zum Gelingen der Teamkonferenz beitragen. Bei noch größerem Kommunikationstalent könnte er sogar ermutigen, die heiklen Aspekte des Themas spruchreif zu machen und auf den Punkt zu bringen («Sag mal, bin ich dir zu schmarotzerhaft?»), und wenn sie dann dazu stehen könnte und beide den Humor derjenigen aufbringen, die auch über sich selber schmunzeln können, dann hätte die Qualität dieser menschlichen Beziehung allerbeste Aussichten.
Bossemeyer und Lohse (1995) gingen in ihrer Diplomarbeit einen Schritt weiter: Wie wäre es denn, wenn Paare bei schwierigen Themen ihre Auseinandersetzung in dieser Weise führen würden? Zu diesem Experiment luden sie Paare ein, die ein gemeinsames Thema oder Problem hatten – zum Beispiel: Sie will für ein Jahr ins Ausland gehen. Was bedeutet das für die Partnerschaft? – Die Vorgehensweise: Nach einer Einführung in die Grundidee des Inneren Teams werden beide gebeten, zunächst für sich selbst alle inneren Stimmen und Regungen aufzuschreiben und aufzumalen, die sich zu diesem Thema in ihnen melden (Phase 1: jeder für sich). In der anschließenden Phase 2 werden diese beiden inneren Ausgangslagen, diese beiden Konfigurationen, im Raum so aufgebaut, dass gleichsam ein Spielfeld mit zwei Hälften entsteht:
Abb. 18:
Auseinandersetzung eines Paares mit der jeweiligen inneren Aufstellung zum gemeinsamen Thema (in Anlehnung an Bossemeyer und Lohse 1995)
Für jedes innere Teammitglied wird ein Stuhl reserviert, mit entsprechender Aufschrift (zum Beispiel «die Abenteurerin») und einem Symbol, das sie sich dafür aussuchen können (zum Beispiel ein kleines Spielzeugschiff). Mitglieder, deren Stimmen laut und dominant sind, erhalten einen Stuhl in der vorderen Reihe, leise Stimmen (zum Beispiel die Ängstliche: «Am liebsten bleibe ich zu Hause!») kommen nach hinten – beim Partner ebenso.
Nun kann (Phase 3) der Teamdialog beginnen: Die Partner setzen sich auf jeweils einen Stuhl ihres eigenen Spielfelds, um von hier aus zu sprechen, ganz in der Haut dieses inneren Mitglieds (zum Beispiel: «Ich bin die Abenteurerin in Regines Team – und mir ist wichtig, dass ich in diesem Leben wirklich etwas erlebe …» usw.). Auch ist es möglich, bestimmte Mitglieder der Gegenseite anzusprechen (zum Beispiel: «Was ich, die Ängstliche , dir da hinten in der letzten Reihe, dem ewigen Junggesellen , einmal sagen möchte …»), sodass dieser zur Reaktion herausgefordert wird.
Ergebnis dieses Versuchs: Die Gespräche unter Anleitung einer Klärungshelferin verliefen tiefgehend und bewegend, alle Paare zeigten sich beeindruckt vom Gang der Auseinandersetzung.
Ist dieses Vorgehen auch im normalen Miteinander (ohne Klärungshelfer) möglich und anzuraten? Statt einer empirischen Untersuchung kann ich
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