Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Aspekten wie Zusammenfinden und Zusammenraufen, Kommunikations- und Streitkultur, Integration von Neuen und von Außenseitern, Herausbildung eines Wir-Gefühls bei gleichzeitigem Ich-Bewusstsein, Herausbildung von anerkannten Regeln, Normen und Kooperationsstilen. Ganz entsprechend verstehe ich die innere Teamentwicklung ebenfalls als situationsübergreifendes Langzeitprojekt und synonym mit «Persönlichkeitsentwicklung». Der Begriff des «Inneren Teams» versteht sich als Kompasswort, lässt ein Ideal , eine Entwicklungsrichtung, anklingen. Real finden wir zunächst oft eine innere Gruppe vor, in der ein
Gegeneinander (Rivalität, Feindseligkeit),
Durcheinander (Mangel an Struktur),
Nebeneinanderher (Mangel an Kontakt und Koordination)
vorherrschend ist.
Über den einen Daumen gepeilt, können wir feststellen: In einer normalen Gruppe werden sich die Kräfte und Leistungen in etwa addieren , in einer gestörten Gruppe werden sie sich subtrahieren , und in einem exzellenten Team werden sie sich multiplizieren . Über den anderen Daumen gepeilt, können wir annehmen, dass Klarheit und Kraft unserer Kommunikation wie unseres Handelns sich ebenso als Ergebnis einer Addition, Subtraktion oder Multiplikation darstellen, je nachdem, wie es mit unserem Inneren Team jeweils steht.
Fassen wir abschließend die Parallelitätsthese zusammen:
Die innere Dynamik im Seelenleben des Menschen entspricht in weiten Teilen der Dynamik, wie sie sich in Gruppen und Teams ereignet. Das Geheimnis für ein produktives Arbeits- und Seelenleben (mit Effektivität nach außen und gutem «Betriebsklima» nach innen) liegt im gelungenen Zusammenspiel von kooperativer Führung und Teamarbeit.
Einzelnen Aspekten dieser Parallelität gehen wir in den anschließenden Kapiteln nach. Das Folgende handelt vom Oberhaupt und seiner teambildenden Qualität.
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2.
Innere Führung durch das Oberhaupt
2.1
Wesen und Aufgaben des Oberhaupts
Es ist nun endlich an der Zeit, dass wir den Teamchef oder die Teamchefin genauer kennenlernen. «Sei dein eigener Chairman, der Vorsitzende deiner selbst!», lautete ursprünglich das erste Postulat in der «Themenzentrierten Interaktion» (TZI) von Ruth Cohn (1975), und sie wollte damit sowohl eine existenzielle Tatsache aussprechen («Du bist es ohnehin») als auch ein erstrebenswertes Entwicklungsziel vorgeben, da dieser Vorsitz mehr oder weniger bewusst sein mag und mehr oder weniger gut gelingen kann. Im Bemühen um eine sprachliche Gleichberechtigung der Geschlechter hat sie später von «Chairperson» gesprochen. lch wähle den geschlechtsneutralen Begriff «Oberhaupt», auch weil er bei einem Wechsel der Metaphern (s. S. 140ff.) seine Gültigkeit behält.
Abb. 15:
Das Oberhaupt und sein Inneres Team
Bezeichnenderweise sagen wir «ich» und nicht «wir», trotz aller inneren Pluralität. Das bedeutet, wir identifizieren uns mit jener Instanz, die über dem Ganzen steht und die Einheit stiftet. Dieses übergeordnete Ich nimmt die Stimmen der inneren Mitglieder auf, jedenfalls soweit sie in Rufnähe gelangen, und erkennt sie als Teile des Selbst an, jedenfalls als existent, wenn auch nicht immer als erwünscht. Wenn es darum geht zu entscheiden, welche inneren Mitglieder sich in welcher Weise und in welcher Kombination in Handlungen und Äußerungen verwirklichen sollen – mit anderen Worten: wenn es darum geht zu entscheiden, was nach außen dringt –, behält das Oberhaupt das letzte Wort, jedenfalls solange es Herr im eigenen Hause ist und nicht vor seelischen Teilkräften (vorübergehend oder endgültig) kapitulieren muss, die die «Herrschaft über die Seele übernommen» haben, wie es bei Dostojewski im «Spieler» heißt (1986, S. 25).
Indem wir, geleitet von unserer metaphorischen Parallelitätsthese, die Annahme vertreten, dass es, wo ein Team arbeitet, auch einen «Boss» geben muss, betreten wir ein Feld, auf dem viele Wissenschaftler (Anthropologen, Hirnphysiologen, Philosophen, Psychologen) schon lange versammelt sind und heftig streiten. Wo ist der «Sitz» des (Selbst-)Bewusstseins? Gleichen wir einem Reiter, dessen Pferd seinen eigenen Weg galoppiert und der hinterher nur noch sagen (und glauben) kann, genau dorthin habe er gewollt? Gibt es den «Reiter», dieses übergeordnete «Ich», überhaupt? Der Psychotherapeut P. Orban (1996) hält die Annahme einer zentralen «Gastgeberinstanz» für eine Fiktion, betrachtet die multiple Persönlichkeit wie eine
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