Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Schmieröllieferanten im Getriebe eines reibungslosen Schnellverkehrs, sondern auch als Schutzpatron einer verletzlichen oder strategisch nachteiligen Blöße. Freilich müssen wir aufpassen, dass der geschmeidige Kontaktmanager uns nicht zur zweiten Natur wird und in fast allen Lebenslagen die Oberhand gewinnt.
Erstbeste Reaktion – nachträgliche Revision
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass das Oberhaupt der erstbesten Stimme folgt, die sich meldet und die den Außendienst spontan übernimmt. Vielleicht steht dort das hilfsbereite, nette Mädchen und sagt: «Na klar, kannst du haben!» Wenn dann die Bedenkenträgerinnen als Spätmelder nachrücken und die Studentin insgesamt zu dem Ergebnis käme, dass sie diese Art von Hilfe eigentlich doch nicht leisten möchte, dann könnte sie ihre Zusage nachträglich revidieren: «Es tut mir leid, aber ich habe mir das mit den Aufzeichnungen noch mal überlegt und möchte sie doch nicht aus der Hand geben. Mir ist später manches in den Sinn gekommen, was ich nicht gleich draufhatte, und zwar …»
Abb. 20:
Erstbeste Reaktion und nachträgliche «Revolution» der Spätmelder
Bestimmt wird der andere nun enttäuscht und wahrscheinlich auch ärgerlich sein. Vielleicht wird er sogar schwere moralische Geschütze auffahren und darauf hinweisen, dass ein einmal gegebenes Wort nicht gebrochen werden dürfe. Aber vor und jenseits aller Moral ist es eine psychologische Tatsache, dass Mitglieder des Inneren Teams sich nicht alle sofort und zur selben Zeit melden, dass einige gleichsam einen längeren Weg haben, um in Rufnähe des Oberhaupts zu gelangen.
Manchmal tut einem das, was spontan «herausgerutscht» ist, hinterher leid. Dann sagt man vielleicht: «Ich habe es nicht so gemeint!» Aber das ist nicht genau das, was passiert ist. Genauer müsste man wohl meist sagen: «Ich habe es zwar so gemeint, aber es war nur ein Teil von dem, was ich dazu denke und fühle – jener Teil nämlich, der obenauf lag und als Erster spruchreif war!»
Mit Spätwirkungen eines Gesprächs ist immer zu rechnen. Menschen, die sich getraut haben, ein heikles offenes Gespräch zu führen, in dem sie auch Kritik üben, zeigen sich hinterher häufig enttäuscht: Der andere habe alles abgeschmettert, nicht an sich herankommen lassen, sei sogar unverschämt geworden; solche Gespräche brächten gar nichts. Es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass der Gesprächspartner, der sich einem Angriff ausgesetzt sah, zunächst einmal seine Verteidigungstruppe samt gutem Torwart aufs Feld geschickt hat, vielleicht noch dazu eine eigene Sturmspitze, denn «Angriff ist die beste Verteidigung». Lange nach Abpfiff des Spiels aber, wenn die Spieler erschöpft in der Kabine sitzen, rollt der Ball doch noch ins Tor und wird dort untersucht. Aber das kriegt der Gegner, der entmutigt das Spielfeld verlassen hat, nicht mehr mit. Freilich gibt es auch den umgekehrten Fall: dass jemand heute einsichtig, konstruktiv, kleinlaut auf eine Kritik reagiert und morgen sehr böse wird, weil der Teil in ihm, der die «Unverschämtheit» der Kritik wahrnimmt und empfindet, später aufgewacht ist.
Faustregel: Welche Seite sich immer zeigt – rechnen Sie damit (bei anderen und bei sich selbst), dass die andere Seite sich auch noch melden kann! Allgemein gilt: Gespräche werden oft vom einsatzbereiten Teil-Ich geführt und später vom versammelten Ganz-Ich ausgewertet. Da wird mancher wach, der schon während des Gesprächs gern ein Wörtchen mitgeredet hätte.
Aus demselben Grund ist es bei Vereinbarungen von größerer Tragweite überaus ratsam, zwischen dem Vereinbarungsgespräch und der endgültigen Abmachung ein bis zwei Tage und Nächte verstreichen zu lassen. Wir dürfen nicht damit rechnen, dass wir die Beteiligten bereits auf Anhieb alle beisammen haben. Bei manchen Menschen melden sich die «unharmonischen» Mitglieder überhaupt immer erst im stillen Kämmerlein und nie im Kontakt mit dem Gesprächspartner! Im Kontakt ist die innere Bühne nur von den zustimmenden, freundlichen, entgegenkommenden Mitgliedern besetzt.
Bei manch anderen Menschen ist es genau umgekehrt: Das «Nein» ist sofort zur Stelle, von jenem Grenzwächter entschieden und verkündet, der allzeit darüber wacht, dass keine seelischen Fremdkörper in das eigene Hoheitsgebiet eingeschmuggelt werden. Erst wenn dieser ganze Arbeit geleistet und das Gegenüber sich damit womöglich schon abgefunden hat, erst dann betritt ein
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