Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Ansammlung von Blütenblättern, die, wenn man sie abpflückt, keine Zentrale übriglassen. Was wir als Ich empfinden, das sei das Zusammengehörigkeitsgefühl der bewusst gewordenen Teile (1996, S. 69).
Mag die ontologische Frage [4] derzeit oder auf ewig unentscheidbar sein. Jedenfalls halte ich die Annahme einer (begrenzt) steuerungsfähigen Koordinationsinstanz sowohl für hinreichend belegt und wahrscheinlich als auch für lebensphilosophisch nützlich. Der Psychologe und Hirnphysiologe R. Ornstein schreibt: «Eine ganze Reihe […] psychischer Phänomene […] gäbe es einfach nicht, wenn nicht irgendwo in unserem Geist eine Einheit vorhanden wäre, die in der Lage ist, Kompromisse zwischen miteinander streitenden ‹kleinen Geisten› zu schließen» (1992, S. 200). Und an anderer Stelle: «Dieses Selbst hat einen eigenen Ort, ein eigenes Areal im Gehirn. Es gehört zu dem obersten Stockwerk des Geistes, zu den Kontroll- und Steuerungsfunktionen des Bewußtseins» (1992, S. 84).
Dieses Oberhaupt hat, so scheint aus diesen Forschungen hervorzugehen, zwar sein «Büro» im selben Haus wie alle Mitglieder des Teams, ist aber in ihren Zimmern nicht allgegenwärtig. Es steckt nicht drin in seinen Leuten und muss gut aufmerken, wenn es ihre Meinungen und Interessen in Erfahrung bringen will. Die Rede von der «Kunst, sich selber zuzuhören» (vgl. Steven 1975, S. 73), erhält hier ihren Sinn. Da jedes Mitglied versucht, seine eigene Politik zu machen, ist der Chef gut beraten, in wichtigen Fragen die maßgeblichen Leute an einen Tisch zu kriegen, damit in seinen Entscheidungen und Handlungen die versammelte Weisheit und Energie der Einzelnen koordiniert zur Geltung kommen können. Wenn das Oberhaupt etwas will, kann es das nicht autoritär durchsetzen: Dazu reicht seine Macht nicht – das weiß jeder, der zu Silvester gute Vorsätze gefasst hat. Er muss schon wesentliche Mitglieder seiner Mannschaft hinter sich bringen. Das Machtverhältnis zwischen Chef und Teammitgliedern ist außerordentlich subtil und kompliziert, viel komplizierter noch als zwischen Pferd und Reiter. Auf jeden Fall ist eine fortwährende wechselseitige Einflussnahme gegeben.
Schwartz (1997) sieht das «Selbst» als eine Kerninstanz, die von den Teilen unterschieden ist und die beim normalen Menschen über gute Führungsqualitäten verfügt. Als Psychotherapeut ist er bemüht, dieses «wahre Selbst» darin anzuleiten und zu unterstützen, zu seinen Teilen einen mitfühlenden und neugierigen Kontakt herzustellen. Schwartz unterstellt, dass diese Oberinstanz in zwei Zustandsformen existiert, ähnlich wie das Licht als Teilchen oder als Welle beschrieben werden kann: einmal als passiver Zeuge des inneren Geschehens, mit einer meditativen Haltung des Geschehenlassens; zum anderen als aktiver, eingreifender Führer, der das Geschehen maßgeblich mitbestimmt, darin zum Teil auch verstrickt und verwickelt ist (1997, S. 66).
Zwar würde ich nicht ausgerechnet hier vom «wahren» Kern sprechen – «wahr» sind alle anderen Teile auch; aber ansonsten schließe ich mich dieser Sichtweise an. Von daher ist es nicht unerheblich, ob das Team einen guten oder schlechten Chef hat. Die Stärkung der inneren Führungskraft ist Teil des menschlichen Evolutionsprojekts und Anliegen unserer psychologischen Entwicklungshilfe in Fortbildung, Beratung und Therapie. Fassen wir einige Aufgaben und Arbeitsweisen des Oberhaupts ins Auge, immer auch mit dem Blick auf Möglichkeiten der bewusst gesteuerten Verbesserung.
Seine Aufgaben sind, wie bei jeder Führungskraft im beruflichen Bereich, vielfältig und zum Teil widersprüchlich, da es sowohl für den «Innendienst» als auch für den «Außendienst» zuständig ist. Im ersten Zugriff sind vor allem zu nennen:
Kontrolle : Selbstkontrolle, Selbstbeherrschung.
Moderation : Für geordnete und kreative innere Teambesprechungen sorgen.
Integration : Aus dem «Haufen» ein Team machen, die Einzelbeiträge synergetisch zusammenführen.
Konfliktmanagement : Verfeindeten Mitgliedern aus ihrer Polarisierung heraushelfen (s. Kapitel 3).
Personal- und Teamentwicklung : Die Förderung einzelner Mitglieder sowie die Förderung eines kooperativen Gesamtklimas, zum Beispiel durch Integration von Außenseitern (s. Kapitel 4).
Personalauswahl und Einsatzleitung : Für eine gegebene Aufgabe/Situation die richtige «Mannschaft» aufstellen (s. Kapitel 6).
Wie vollzieht sich diese innere Führung? Wie kann es dem
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