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Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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seriöse Zirkuspferd-Skeptiker wäre beruhigt, wenn die Veranstaltung in einem Hörsaal stattfände, in räumlicher und zeitlicher Trennung vom Betriebsfest. Bezogen auf den inneren Teamkonflikt zwischen dem Habgierigen und dem Sozial-Gewissenhaften, kam folgende Idee auf: Leide ich bei der Unterrichtung meiner Studenten(innen) nicht jeden Tag unter den «unwürdigen Zuständen», unter den heruntergekommenen Räumen, unter den harten und kaputten Stühlen, an der Unwirtlichkeit schmuddeliger und armseliger Seminarräume? Hatten wir nicht angefangen, aus Eigenmitteln Teppichböden und Gardinen zu bestellen? Wäre es nicht möglich, anstelle eines persönlichen Honorars eine Sachspende an die Uni zu vereinbaren, in Form von – sagen wir – dreißig gepolsterten Seminarstühlen aus schönem Holz? Zum Wohl der Universität und der Studierenden, aber nicht zuletzt auch zum Wohl des Lehrers?
    6. Schritt: Entwurf einer integrierten Stellungnahme
    Jetzt ist das Oberhaupt meist in der Lage, die Früchte der Teamarbeit zu ernten und eine Reaktion zu entwerfen, welche die Weisheiten mehrerer Mitglieder in sich vereinigt. In diesem Fall kam es wirklich so: Vortrag im Uni-Hörsaal und dreißig gepolsterte Seminarstühle als Sachspende an die Universität. Der Auftraggeber war einverstanden.

    Zu vollständiger Einigkeit gelangt die innere Ratsversammlung fast nie. Das Oberhaupt muss gleichwohl entscheiden – und damit die Rolle des bloßen Moderators wieder verlassen. In diesem Fall musste zumindest das Nervenbündel zurückstecken, wenn auch unter gemilderten Umständen. Aber wichtiger als Einigkeit ist ein inneres Betriebsklima, bei dem jeder an der Lösungssuche maßgeblich und wertschätzend beteiligt wird, sodass tatsächlich aus der Not (viele wollen mitreden, und alle wollen etwas anderes) eine Tugend werden kann (jeder kann etwas beitragen, sodass die Lösung qualifizierter wird, als wenn einer allein das Sagen gehabt hätte). Damit aus dem Stimmengewirr die Beiträge hochqualifizierter Mitarbeiter werden und damit diese Beiträge zu einem Synergieresultat führen, das jeden Einzelbeitrag qualitativ übertrifft, ist – genau wie im beruflichen und politischen Leben – eine gute Moderation erforderlich. Anderenfalls werden Chaos und gegenseitige Entwertung mögliche Synergieeffekte im Keim ersticken.
    Aber läuft denn eine innere Ratsversammlung jemals so geordnet und schulmäßig ab, wie in diesem Beispiel dargelegt? Nein, auch in diesem Fall verlief der Prozess spontaner, chaotischer, bruchstückhafter, verteilt auf mehrere Tage – ich habe nachträglich den Vorgang didaktisch so aufbereitet, dass die Phasen und Verläufe ihre Logik erkennen lassen. Die Seele folgt zunächst ihrer eigenen Logik, ihrem eigenen Rhythmus. Dennoch ist die angegebene Schrittfolge und sind «die Regeln der Kunst» wichtig: Sobald der Prozess ins Stocken gerät, in einer Sackgasse festsitzt oder die Teilnehmer sich gegenseitig in die Pfanne hauen, kann das Oberhaupt darauf zurückgreifen und eine bewusste Gestaltung einleiten. Dann wird es in der Regel gut beraten sein, die «anti-interaktionelle» Runde (Schritt 2) nachzuholen. Übung macht den Meister, und zur Übung gehört, den «Meister», den Chef, überhaupt ans Steuer zu setzen. Bei einem schwachen Chef (Abb. 26) gehen die Teilnehmer über Tische und Bänke.

    Abb. 26:
    Schwacher Chef
    Die äußeren Umstände einer solchen Ratsversammlung können beträchtlich variieren: allein bei einem Spaziergang, im Gespräch mit anderen, am Tisch mit Papier und Bleistift.
    Im geschilderten Beispiel vollzog sich die Ratsversammlung, wie das ja in der Regel der Fall ist, allein (ohne Berater) im Alltag. Etwas anderes ist es, wenn wir den Vorgang in einer Seminargruppe im Rahmen der Kommunikationsberatung anleiten. Auch hierfür noch ein Beispiel (entnommen aus Schulz von Thun 1996    [5] ):
    Eine berufliche Lebensentscheidung: Innere Ratsversammlung im Rahmen einer Seminargruppe
    In einer Seminargruppe mit Führungskräften formuliert ein Vertriebsleiter einer Bausparkasse sein Anliegen: Zurzeit sei er Gebietsleiter der Region A. Im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen sollten nun die Gebiete A, B und C zu einem Großgebiet ABC zusammengefasst werden. Er habe das Angebot auf dem Tisch, «Großgebietsleiter» von ABC zu werden. Wie solle er sich entscheiden?
    Einerseits sei er hoch erfreut, andererseits habe er aber auch Bedenken. Seine Kollegen, die Gebietsleiter von B und C, würden

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