Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
dann – so sei es vorgesehen – seine Mitarbeiter werden. Und überhaupt: Sei das Ganze nicht eine Nummer zu groß für ihn? Bis Montag habe er Bedenkzeit.
Berater: Das klingt so, als würden zu diesem Thema mehrere Stimmen in Ihrer Brust sein. Wer meldet sich denn da alles zu Wort?
Er: Na ja, eine Stimme jubelt natürlich: «Hurra, du hast es geschafft! – Das ist doch eine Auszeichnung, ein Zugewinn an Macht und Bedeutung und auch an Geld, und ich darf mir das als persönlichen Erfolg anrechnen.»
Berater: Wie heißt der in Ihnen, der so spricht? Können Sie dem mal einen Namen geben?
Er: Ja, das ist der, der schon immer die Nummer 1 sein wollte!
Berater: Gut, nennen wir ihn mal Nummer 1 . – Gibt es weitere Stimmen?
Er: Da ist sofort auch eine andere Stimme: «Du hast mit 39 Jahren bereits einen Herzinfarkt hinter dir, brauchst Beta-Blocker für deine Rhythmusstörungen – pass auf dich auf, sonst bist du schnell unter der Erde!»
Berater: Der Gesundheitsbesorgte?
Er: Ja! Und damit zusammenhängend oder auch nicht zusammenhängend eine weitere Stimme, die in Richtung Familie geht: «Du hast Frau und Kinder, und die wollen auch etwas von dir, und ich will auch etwas von ihnen – und die sind ohnehin schon ziemlich kurz gekommen in letzter Zeit!» – Wie der heißt? Das ist der Familienmensch in mir!
Und dann gibt es noch eine Stimme, die sagt: «Pass auf, die Sache ist nicht ganz ohne! Meine beiden jetzigen Kollegen sollen dann Mitarbeiter von mir werden – ob das gutgeht? Die werden ja auch erst einmal verkraften müssen, dass sie es nicht geworden sind!» – Das ist vielleicht der vorsichtige Stratege in mir.
Der Berater geht ans Flipchart, zeichnet die vier Stimmen ein und rückversichert sich, dass die wichtigsten Stimmen «namhaft» geworden sind (s. Abb. 27).
Abb. 27:
Innere Wortmeldungen zu einer beruflichen Lebensentscheidung
Bis hierhin ist das Vorgehen identisch mit dem im vorigen Beispiel, abgesehen davon, dass die Erhebung der Einzelstimmen nicht vom Oberhaupt selbst, sondern von einem externen Berater vorgenommen wird. Die «freie Diskussion» (Schritt 3), die nun ansteht, wird im Folgenden von Mitspielern aus der Gruppe geführt. Es melden sich vier.
Berater : Sie vier bitte ich, in den Innenkreis zu kommen, mit der Idee, dass Sie – jeder so unbefangen und ehrlich wie möglich – einmal die innere Diskussion von Herrn X miteinander laut führen.
(Zum Gebietsleiter:) Zunächst aber möchte ich Sie bitten, noch einmal jedem der vier ein paar Schlüsselsätze mit auf den Weg zu geben, sodass sie in ihrer Rolle heimisch werden können.
Der Gebietsleiter tritt nun nacheinander hinter jeden der vier Spieler, welche seine vier inneren Stimmen = Teammitglieder = Ratgeber verkörpern, und spricht ihnen vor, was sie jeweils auf dem Herzen haben. Dies entspricht der «Anhörung der Einzelstimmen» (Schritt 2).
Nachdem dies geschehen ist, stellt sich der Leiter mit dem Gebietsleiter etwas abseits, und dieser beobachtet aus der Distanz die folgende Gruppendiskussion im Innenkreis. Ihm wird somit seine innere Diskussion auf der Bühne aufgeführt.
Die Spieler beginnen mit ihrer Diskussion. Jeder vertritt sein Anliegen, reagiert auf die anderen Teilnehmer, und es geht hoch her, zum Beispiel attackiert der Familienmensch die Nummer 1 : «Hast du es denn immer noch nötig, deinem Papa zu beweisen, dass du den Längsten hast!?»
Der Gebietsleiter «gewinnt Distanz», indem er sich sein inneres Getümmel von außen anhört. Nach Ende der freien Diskussion kann es unterschiedlich weitergehen. Vielleicht drängt sich dem Gebietsleiter beim Anhören eine weitere, noch nicht vertretene Stimme auf (ein «Spätmelder») – in dem Fall könnte er einen weiteren Stuhl besetzen und diesen Nachzügler selbst den anderen Mitspielern vorstellen. Oder aus der Seminargruppe drängt es jemanden, eine fehlende weitere Stimme vorzuschlagen, die nach seiner Auffassung dazugehört. Irgendwann sollte (Schritt 4 der inneren Ratsversammlung) der Gebietsleiter den Vorsitz übernehmen und seine Leute zu konstruktiver gemeinsamer Lösungssuche anleiten. Der Berater kann ihm dabei zur Seite stehen.
Die methodischen Prinzipien und Regeln zur Durchführung einer solchen Beratung sind nicht Gegenstand dieses Buches. Das Beispiel dient uns hier zur Illustration, dass eine innere Ratsversammlung keineswegs nur im stillen Kämmerlein stattfinden muss, sondern auch im Rahmen der Supervision und Fortbildung
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