Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Abwesenheit auf Studenten, Frau und Kinder abstrahlen und innerlich nicht ganz da sein. Werde die Nacht vorher schlecht schlafen, denn zu dem Thema fehlt mir die innere Souveränität und Sicherheit. Solche einmaligen Großauftritte vor mehreren hundert Leuten machen mir einfach zu viel Stress! Nein , auf keinen Fall!
 
Der politisch Erwachte : Großartig! Gesellschaftliche Institutionen werden wach und suchen die Zusammenarbeit mit der Universität, mit mir, um gemeinsam das Bewusstsein zu schärfen für unheilvolle Entwicklungen in unserem Land! Keine Anfrage nach dem Motto «Wie können wir geschickter mit unseren Kunden reden?», sondern jenseits kurzfristiger Gewinnsicherung von gesellschaftlicher Verantwortung getragen. Das ist doch genau das, was ich möchte: als maßgeblicher Kommunikationspsychologe Anschluss gewinnen an die gesellschaftspolitischen Fragen der Zeit und als solcher gehört werden und in Kontakt treten. Sind wir doch gerade dabei, eine Arbeit zur «Psychologie der Zivilcourage» zu veröffentlichen! Also: auf jeden Fall ja !
 
Der seriöse Zirkuspferd-Skeptiker (Dieser zunächst namenlose Teilnehmer hatte sich anfangs nur durch ein «ungutes Gefühl in der Magengegend» kundgetan. Nachdem ich diesem «nachgegangen» war, schälte sich folgende Botschaft heraus): Aber was ist das für ein Kontext? Jahresfeier der gesamten Belegschaft mit geselligem Beisammensein mit Speis und Trank zur Hebung des Wir-Gefühls? Dagegen wäre ja nichts einzuwenden, aber muss ausgerechnet ich als Wissenschaftler dafür herhalten, diesem Anlass eine Weihe durch Bildung zu geben? Wäre dies nicht bloß ein Pflichtprogramm, das viele über sich ergehen lassen, um dann endlich ihren Durst zu löschen? Passt ausgerechnet dieses Thema überhaupt in einen solchen Rahmen? Mache ich mich nicht, wie schon manches Mal, zum Zirkuspferd?
 
Der Habgierige : Also wenn ich schon diesen tagelangen Stress auf mich nehme, mir das geordnete Gewebe meines beruflichen und privaten Alltags zerreißen lasse, und wenn ich mich für so eine repräsentative Großveranstaltung einspannen lasse, dann muss aber auch für mich ordentlich etwas dabei herausspringen!
 
Der Sozial-Gewissenhafte : Dieses Thema und sein politischer Anlass sind nun wirklich nicht geeignet, um sich daran zu bereichern. Menschen gehen qualvoll zugrunde, und du reitest auf der Aktualität des Themas und verdienst dir eine goldene Nase daran!? Das ist unanständig! Dann spende das Geld wenigstens an die Betroffenen!
    So weit die Anhörung. Aus dem Nebel eines diffusen Unbehagens ist ein multiples Dilemma herausgetreten und greifbar geworden. Die Uneinigkeit ist in ihren verschiedenen Punkten deutlich geworden. Damit ist schon viel erreicht: an Klarheit (auf der Sachebene) und an Zugehörigkeitsgefühl der Mitglieder (auf der Beziehungsebene). – Jetzt sollte das Oberhaupt eine Diskussion zulassen.
    3. Schritt: Freie Diskussion zulassen und anregen
    Hier ein paar Ausschnitte aus der inneren Diskussion:
Habgieriger (zum Sozial-Gewissenhaften): So schrecklich edel wie du bin ich einfach nicht, das Honorar zu spenden!
Sozial-Gewissenhafter : Dann wenigstens einen Teil, du Geldgeier!
Nervenbündel : Was verhandelt ihr das Honorar – ich hab doch deutlich gesagt, dass mir das zu viel wird, zu viel Stress macht!
Zirkuspferd-Skeptiker : Und ich will das Thema nicht in diesem Rahmen!
Politisch Erwachter : Was ist an dem Rahmen eigentlich verkehrt, wenn 700 Leute bereit sind, dir zuzuhören? Du kannst doch den Rahmen entscheidend mitgestalten! – Und du (zum Nervenbündel) kannst bei so einer Sache ruhig mal durchhalten!
    Die Situation scheint nicht leichter zu werden – im Gegenteil: Die Diskussion geht wild durcheinander und droht sich im Kreis zu drehen. Vielleicht reden auch alle gleichzeitig. Das Oberhaupt soll dies ruhig eine Zeitlang zulassen, ohne einzugreifen. Jeder Profi-Chef weiß, dass ein «storming» einen integralen Bestandteil jeder Teamentwicklung darstellt und dass Synergie auch etwas mit Aneinandergeraten zu tun hat. Freilich kommt auch der Zeitpunkt, wo nach dem Getümmel wieder Struktur gefragt ist.
    4. Schritt: Moderation und Strukturierung durch das Oberhaupt
    Der Leiter fasst das Ergebnis der Anhörung und der Diskussion zusammen. Zum Beispiel hier:
Oberhaupt (als Moderator): Es scheint hauptsächlich um drei strittige Fragen zu gehen:
1. Angemessenheit des Rahmens,
2. Angemessenheit des Honorars,
3. Verkraftbarkeit des Stresses.
Auf jeden Fall