Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Vorstandssekretär? Was ? Was ist schiefgelaufen? Wer hat behauptet, ich hätte eigenmächtig …? Ja, also, das ist doch … Wann soll ich Rede und Antwort stehen? Heute Abend noch? Also, das darf ja wohl nicht wahr sein!» Während auf der inneren Bühne alles durcheinanderpurzelt (s. Abb. 73 b), während die alte Mannschaft (der einfühlsame Berater , der aufgeschreckte Ehrgeizige , der strenge Moralist ) hinter die Kulissen gescheucht und ein neues Team im Alarmtempo und völlig unkoordiniert die Bühne zu besetzen sucht, währenddem übernimmt vielleicht ein sachlich-gefasster Kontaktmanager am Telefon den Notdienst und spürt hinter sich sowohl einen ängstlichen kleinen Jungen , dem das Herz in die Hose rutscht, als auch einen wütenden Racheengel («Das soll büßen, wer mir das angetan hat!»); alsbald gesellt sich ein kalkulierender Stratege dazu und beginnt seinen Schlachtplan zu entwerfen (s. Abb. 73 c).
Abb. 73:
Gesprächsunterbrechung und die Abfolge des Geschehens auf der inneren Bühne (vgl. Text S. 275ff.)
Der Telefonhörer ist wieder aufgelegt. «So, tut mir leid, unangenehme Geschichte. Wo waren wir stehengeblieben?» Er ruft nach dem teilnahmsvollen Berater , der nun wieder seinen Platz einnehmen soll – wer war denn sonst noch dabeigewesen? Er ruft nach der alten Mannschaft, aber sie kommt nicht durch – die Bühne ist und bleibt besetzt: der kleine Junge mit dem Herz in der Hose, der Racheengel und der kalkulierende Stratege wollen und wollen nicht weichen, können ihre aufgeregte Konferenz nicht einfach wieder abbrechen. Was bleibt übrig, als wiederum einen Notdienst in den Kontakt zu schicken, der das «Gespräch» mit dem Mitarbeiter fortsetzt und doch hauptsächlich damit beschäftigt ist, den Vorhang zuzuziehen, damit vom nachwirkenden Hexenkessel möglichst wenig nach außen dringt (s. Abb. 73 d).
Ein drastisches Beispiel, gewiss. Ich fürchte allerdings, dass – beruflich wie privat – sehr viele Gespräche geführt werden, ohne dass die dazu passende innere Aufstellung gegeben wäre; dass wir bei der Vielzahl unserer Kontakte längst nicht alle beisammen haben. Für manche Menschen ist das «Durcheinandergepurzel» zum Normalzustand geworden. Man kann zwar mit ihnen sprechen, aber sie sind ganz woanders. Dies ist weniger schädlich bei all den Informations- und Koordinationskontakten, die vor allem dem Austausch sachgerechter Informationen dienen. Geht es aber um Themen, die eine innere Beteiligung nahelegen, dann ist die Reduktion des Gesprächs auf die Ebene der Begegnung von Kontaktmanagern beklagenswert, besonders wenn dieser Notdienst auch das private und familiäre Miteinander kennzeichnet. Dieser Gefahr entgehen wir aber kaum durch gute Vorsätze für unser Gesprächsverhalten: Da die innere Beteiligung nicht zuletzt durch die Gegenwart der «Spätmelder» und der leisen Tiefenbewohner unseres Selbst gegeben ist, braucht sie Zeit und entzieht sich dem schnellen und effektiven Lebensmanagement. Manche Themen zwischen meiner Frau und mir kommen überhaupt erst auf, wenn wir drei Stunden miteinander gewandert sind – und wer weiß, welche Themen ausgespart bleiben, solange das alltägliche Familienmanagement (Kinder, Haushalt, Termine, Erledigungen) Vorrang hat.
Sparen wir uns an dieser Stelle, ein Loblied auf die «Kunst der Langsamkeit» anzustimmen und die «Entschleunigung» der Lebensführung zu preisen! In einer Gesellschaft der Effektivität und des schnellen Wandels wird dies schwer möglich sein. Aber vielleicht kann es gelingen, unseren inneren Beschleuniger dort außer Kraft zu setzen, wo er nichts zu suchen hat. Manchmal sind kleine Vorkehrungen geeignet, um eine bessere Passung von Gespräch und innerer Aufstellung zu gewährleisten. Zum Beispiel bemerke und beachte ich inzwischen schärfer, wenn das Gespräch einen schnelleren Fortgang nimmt, als meine Seele mitkommt. Ich habe es mir angewöhnt, in diesem Fall mit Worten wie «Ich hänge noch an dem Punkt von vorhin, nämlich …» das rasche Wechselgeschehen zu verlangsamen und mit meinem inneren Geschehen wieder zur Deckung zu bringen. Oder wenn jemand mit einem Anliegen auf mich zukommt, für das ich im Augenblick nicht alle beisammen habe, dann gelingt es mir inzwischen besser, eine halbherzige Schnellabfertigung zu vermeiden, mit Worten wie «Sie erwischen mich gerade in einer Situation, wo ich …» (innerlich mit etwas anderem sehr beschäftigt bin), «kann ich Sie/können Sie mich
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