Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Kontakt schickt und dieses Wechselspiel wie eine Klaviatur virtuos zu bedienen versteht (s. Abb. 72). Ein paar Originalzitate dazu:
Abb. 72:
Geschmeidige Vielfalt im inneren Ensemble von Bernie Weskamp (nach Schwanitz: «Der Campus») – hier dargestellt als virtuos bediente Klaviatur
In Bernies Seelenhohlraum richtete sich in Sekundenschnelle die Figur des männlich-überlegenen Erklärers auf und straffte seine missmutig zusammengesunkene Gestalt zu einem Meter fünfundachtzig respektabler Lebensgröße (S. 41). – Halt! rief da von ganz weit Bernie der Wahrhaftige. […] Aber Bernie der Tollkühne hörte nicht auf ihn [und schwindelte vergnüglich weiter von seinen Stierkampf-Erfahrungen; S. 142]. – Bernie der Furchtlose und Bernie der Erfahrene hatten sich zur Ruhe gelegt und Bernie dem Behaglichen Platz gemacht […] (S. 143). Bernie der Geheimnisvolle musste jetzt an die Front (S. 144).
Was haben wir davon zu halten? Einerseits handelt es sich um eine wichtige Fähigkeit: Wir können dem ständigen Wechsel situativer Erfordernisse nur durch ein flexibles Rollenrepertoire gerecht werden, und stimmige Kommunikation erfordert diese Bandbreite. Andererseits mögen wir einer allzu geschmeidigen Wendigkeit in allen Lebenslagen sehr gemischte Gefühle entgegenbringen und den «wahren Kern» vermissen. Fortgeschrittene Leser/innen mögen einen Augenblick sinnieren, welches Werte- und Entwicklungsquadrat ihnen vor Augen tritt! Die personale Breite verkommt zu einer opportunistischen «Wendehalsigkeit», wenn da nicht auch ein unverwechselbarer und nicht wechselfähiger Kern aufscheint, ein Ruhepol der Identität, welcher den wandelbaren Rollenfacetten einen Sinn und eine Richtung gibt («Wer bin ich, wofür stehe ich, und wo sind die Grenzen meiner Geschmeidigkeit?»). Ist dieser Wesenskern vorhanden und spürbar, jedoch nicht mit situativer Flexibilität gepaart, erscheint ein Mensch als allzu festgelegt, als starr:
Das Tempo der inneren Umstellung
Nach meinem Eindruck unterscheiden sich Menschen beträchtlich beim Tempo ihrer inneren Umstellungsfähigkeit. Ich selbst bin ein sehr langsamer Umsteller: Der Umbau der Bühne und ihre Neubesetzung kosten Zeit und Anstrengung. Wenn ich zum Beispiel innerlich darauf eingestellt bin, in Ruhe am Schreibtisch zu sitzen und Terminplanung zu machen, dann ist meine «Kontaktmannschaft» mei-len-weit entfernt – und wenn dann jemand kommt und etwas von mir will, trifft er den zurückgezogenen Schneckenhäusler an, der sich gereizt und grimmig weigert, den Kopf zu heben, oder der hinter dem Vorhang der inneren Bühne verborgen bleibt und einen Kontaktmanager vorschickt, um diesen den «kommunikativen Notdienst» verrichten zu lassen. Was im Telefonverkehr «falsch verbunden» genannt wird, findet hier seine Entsprechung im Nahkontakt. Langsame Umsteller haben es besonders schwer, wenn sie von schnellen Leuten umgeben sind oder wenn etwas Unvorhergesehenes dazwischenkommt. Studieren wir an dem folgenden Beispiel etwas genauer, was auf der inneren Bühne vor sich geht.
Durcheinandergepurzel auf der inneren Bühne. Ein Vorgesetzter in einem Großunternehmen. Sein bester Mitarbeiter hat um ein Gespräch gebeten. Er sei privat in eine schwierige Situation geraten, sitze in der Klemme. Wahrscheinlich werde das Auswirkungen auf seine Einsatz- und Leistungsfähigkeit haben. Langsam kommt der Vorgesetzte ins Gespräch hinein, mehr und mehr wird ihm die Situation des Mitarbeiters deutlich, mehr und mehr spürt er auch, was für ein «inneres Empfangskomitee» sich in ihm aufstellt: ganz vorn an der Kontaktlinie der anteilnehmende , einfühlsame Berater («Du Armer! Was können wir tun?»); dahinter ein aufgeschreckter Ehrgeiziger , der das große Projekt in Frage gestellt sieht, wenn der Mitarbeiter ausfällt («Lass mich jetzt bloß nicht im Stich!»); schließlich dezent im Hintergrund, aber durchaus fühlbar ein strenger Moralist («Selbst schuld! Nun bekommst du die verdiente Quittung für deine fahrlässige Lebensführung!»). So langsam hat er sie, wenn auch noch nicht zu einem Team verbunden, so doch zumindest alle beisammen, und das Gespräch gewinnt an Konzentration und innerer Beteiligung (s. Abb. 73 a).
Da schrillt das Telefon, jene allgegenwärtige, unschuldig-rücksichtslose Maschine, der wir gestatten, jedes soeben sorgsam gesponnene und zarte Gewebe von Kontaktfäden einfach zu zerreißen: «Entschuldigung, eine Sekunde! … Ach, der Herr
Weitere Kostenlose Bücher