Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
dem Eindruck, zu re-agieren («Ich reagiere entsprechend»), ohne zu ahnen, dass sie am So-Sein des anderen immer schon auslösend beteiligt sind.
Nutzen wir die Gelegenheit, den grundsätzlichen Zusammenhang der beiden Modelle Teufelskreis und Inneres Team ins Auge zu fassen (s. Abb. 76).
Abb. 76:
Zusammenhang der Modelle «Teufelskreis» und «Inneres Team»: Innere Mitglieder werden durch das Verhalten des Gegenübers aktiviert bzw. blockiert
Im 2. Band von «Miteinander reden» ist das Phänomen doppelter Kreisläufe beschrieben, die zwischen zwei Beziehungspartnern A und B gleichzeitig oder wechselweise ablaufen, oftmals der eine mehr offen, der andere mehr verdeckt (vgl. Bd. 2, S. 40f.). Wie wir jetzt deutlicher erkennen, ergeben sich solche Doppelkreisläufe daraus, dass verschiedene innere Teammitglieder gleichzeitig oder wechselweise «anspringen» und verhaltenswirksam werden.
Wenn zwei Beziehungspartner ihr System gegenseitiger Hervorlockungen und Blockierungen als leidvoll erfahren und sich aus dieser Verstrickung befreien wollen, können sie einen Beziehungstherapeuten aufsuchen. Dieser wird vor allem zweierlei tun. Er wird erstens den Beteiligten bewusst machen, wie ihr Teufelskreis «funktioniert», welcher Sinn und welcher Vorteil in ihm enthalten ist. Zweitens wird er beiden Partnern einzeln helfen, ihrem Oberhaupt die Souveränität zurückzugeben, die es durch das automatische Anspringen eines am Teufelskreis beteiligten Teammitglieds verloren hat. Dieses ist meist dann und erst dann bereit, sich künftig zurückzuhalten und einem anderen Platz zu machen, wenn man mit ihm gesprochen und verhandelt hat – wenn es seine Absichten gewürdigt sieht und wenn man seine Befürchtungen zerstreuen kann, was alles Schlimmes geschehen könnte, wenn es auf seinen Einsatz verzichtet (Schwartz 1997). So greifen Individual- und Systemtherapie ineinander.
Die Chemie des Zwischenmenschlichen
Wie das System gegenseitiger Hervorlockungen und Blockierungen im Zwischenmenschlichen funktioniert, ist zum Teil noch ein Geheimnis. Ich bin überzeugt, dass hier Energieströme und Resonanzphänomene wirksam sind, die unterhalb und außerhalb dessen liegen, was wir an verbalem und nonverbalem Geschehen kommunikationswissenschaftlich in den Blick (und in den Griff) bekommen (vgl. Bliesener 1996). Wer kann schon voraussehen, ob (und wie) es zwischen zwei Menschen funkt!? Wer kann erklären, warum ich mit dem einen Menschen mühelos in ein lebendiges Hin und Her gerate, in ein tanzendes Wechselspiel gegenseitiger Aufmunterung – mit dem anderen in eine anstrengende Konversation, die sich, vom besten Willen der Beteiligten mühsam in Gang gehalten, doch energetisch als tote Hose erweist?
Wer kann schon voraussagen, ob sich zwei Menschen, die man beide gut kennt, ineinander verlieben werden? Gewiss, als Psychologen ahnen wir, dass Amor seine Pfeile nicht ganz blindlings durch die Gegend schießt. Neben dem Erlebnis von Seelenverwandtschaft («Gleich und gleich gesellt sich gern!») scheint eine Rolle zu spielen, wie sich die Mannschaftsaufstellung des einen Partners auf die des anderen auswirkt. Da ist zum einen das Prinzip der wohltuenden Ergänzung: Wenn in meinem Stammteam ein schutzbedürftiger Angsthase sich aufhält, der sich dem Leben nicht gewachsen fühlt, dann ist es wohltuend, wenn der Partner in vorderster Reihe einen starken Beschützer bieten kann, der sich über einen Schützling freut, den er an die Hand nehmen kann. Da ist zum anderen das Prinzip der vitalisierenden Erweckung : Angenommen, auf meiner inneren Bühne schmort jemand im Hintergrund oder im Untergrund und kommt nicht zum Leben – vielleicht ein munterer Ausgeflippter , der gern mal verrückte Sachen macht. Er kommt aber nie zum Zuge, weil die Bühne mit vernünftigen, verantwortungsvollen und strengen Hauptdarstellern besetzt ist. Oder vielleicht ein romantischer Poesieliebhaber , der tief empfindet, aber im eigenen Ensemble keine Chance erhält, weil die Stücke, die auf dem Spielplan des Lebens stehen, überaus prosaisch sind. Wenn nun der Partner einen Schlüssel besitzt für das Verlies, in dem meine ungelebten Mitglieder hausen, weil bei ihm zum Beispiel solche (ausgelassenen oder romantischen) Mitglieder in vorderster Reihe frohlocken, dann wird er für meine Sehnsuchtsantipoden zum Erlöser, zu jemandem, der den Frosch küsst und zum Prinzen macht (s. Abb. 77). Wer kann sich diesem Zauber entziehen, wer wollte sich da
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