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Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition)

Titel: Miteinander reden 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung; Differentielle Psychologie der Kommunikation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
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helfenden Stils für die seelische Gesundheit und die Fallstricke für die Beziehungsgestaltung herausgestellt haben, dann dürfen wir darüber nicht vergessen, dass die Bereitschaft und die Fähigkeit, andere Menschen in Notlagen und hilflosen Phasen zu unterstützen, für sie zu sorgen und ihnen einen Teil der Verantwortung abzunehmen, als menschlicher Wert und Zeichen von Kraft und Reife anzusehen sind. Die Entwicklung von Hilfsbereitschaft ist ein viel zu kostbares Gut, als dass wir sie unter den psychologischen Verdacht stellen dürften, sie diene nicht wirklich dem Wohl des Mitmenschen, sondern solle die eigene fehlentwickelte Psychodynamik intakt halten. Die tiefenpsychologische Analyse verfehlt ihren Sinn, wenn sie für naseweise Entlarvungszwecke missbraucht wird. Hingegen erhält sie ihn, wenn sie unser Bewusstsein dafür schärft, dass es neben der gerechtfertigten und unabdingbaren Hilfe auch eine Pseudohilfe gibt, die zum Nachteil beider Partner ausfallen kann. Problematisch wird die helfende Strömung erst dann,

    – wenn der Helfende seine Kontakte und Privatbeziehungen regelmäßig so organisiert, dass keine Gegenseitigkeit von Geben und Nehmen entstehen kann, aus dem unbewussten Wunsch heraus, durch Konzentration auf die Sorgen und die Bedürftigkeit anderer die eigenen nicht spüren zu müssen;
    – wenn der Helfende anfängt, durch 150%iges Engagement für andere seine Substanz zu ruinieren – ohne seine eigenen Bedürfnisse überhaupt noch zu spüren;
    – wenn der Helfende aus dem Blick verliert, welchen Gewinn er selbst aus seinem altruistischen Verhalten zieht, sich nur noch mit dem hilfreich-edel-und-gut-Selbstbild identifiziert und damit moralischen Druck ausübt;
    – wenn der Helfende aus dem inneren Zwang heraus, die Rolle des Starken und Kompetenten immer wieder einzunehmen, die Selbsthilfekräfte des Hilfesuchenden schwächt und ihn abhängig hält. Dies ist gemeint, wenn Ruth Cohn sagt: «Zu wenig Hilfe ist Diebstahl, zu viel ist Mord!»

    Wer sich selbst als «eingefleischten» Helfer ansieht, kann seine persönliche Entwicklung in zweifacher Hinsicht ausrichten. Die eine betrifft den Umgang mit sich selbst, die andere den Umgang mit den hilfsbedürftigen Partnern:

    Eigenständigkeit und Bedürftigkeit. Im Umgang mit sich selbst kann sich der chronische Helfer auf die Spur kommen, wenn er die altruistische Selbstdeutung seines Handelns probeweise einmal fallen lässt und sich stattdessen fragt: Was habe ich davon, wenn ich mich immer wieder für andere aufreibe (und mich womöglich ausgenutzt und ausgelaugt fühle)? Die erste Antwort mag dann lauten: Ich bekomme Anerkennung und Dankbarkeit dafür. – Dies ist sicher zutreffend, gleichwohl ist in vielen Fällen zu beobachten, dass die helfende Grundstellung auch dann erhalten bleibt, wenn die Undankbarkeit der Empfänger längst mit Enttäuschung empfunden wird. In solchen Fällen mag eine tiefer liegende Antwort lauten: Durch die helfende Haltung komme ich darum herum, meine Bedürftigkeit und Ohnmacht, meine Kleinheit und Schwäche zu spüren und dazu zu stehen: dass ich manchmal auch jemanden bräuchte, vor dem ich hilfsbedürftig dastehen darf und der mir Halt gibt. Dies überhaupt zu spüren wäre der erste Schritt. Denn das Selbstbild (Ich bin stark und brauche niemanden!) ist ein mächtiger Dirigent im Seelenleben und lässt manche Töne gar nicht erst aufkommen, oder übertönt sie sogleich mit Pauken und Trompeten.
    Der zweite Schritt liegt auf der Verhaltensebene und besteht darin, andere einmal um Hilfe zu bitten oder ihnen «zuzumuten», sich mit den eigenen Nöten und Bedrängnissen zu befassen. Dies ist für den Helfer oft eine «Pferdekur», lieber möchte er sich auf die Zunge beißen: So schlimm sei es schließlich gar nicht, und man sei bisher auch gut allein damit zurechtgekommen, und bestimmt habe der andere viel größere Probleme usw. –
    Was dem eigenen Muster sehr zugespitzt zuwiderläuft, ist die Rolle des Klienten in der Psychotherapie. Unabhängig davon, was dort geschieht, ist allein schon diese Rollenübernahme eine entwicklungsträchtige Grenzüberschreitung (weswegen eingefleischte Helfer eher eine «Fortbildung» akzeptieren, wenn sie für sich etwas tun wollen). Das zu diesen Gedanken gehörende Wertequadrat ist natürlich das gleiche wie beim bedürftig-abhängigen Stil (s. S.70), nur mit überkreuzender Entwicklungsrichtung:

    Für manche Menschen ist es leichter, den zweiten Schritt (auf der

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