Mithgar 10 - Die schwarze Flut
spricht für den Bösen«, sagte Aurion, »und der Ghol ist seine Eskorte.«
»Lasst mich an Eurer Stelle gehen, Majestät.« Vidron beugte ein Knie und streckte dem König das Heft seines Schwertes entgegen. »Und wenn das nicht, dann an Eurer Seite.«
»Nein, Rossmarschall«, erwiderte Aurion Rotaug. » Steckt Euer Schwert weg, bis Ihr es zur Verteidigung dieser Mauern braucht. Diese Sache muss ich alleine unternehmen, denn ich war zu lange hier eingeschlossen - und ich würde gern ein paar Worte mit Modrus Marionetten wechseln.«
»Aber Majestät, ich flehe Euch an, nehmt einen von uns mit.« Vidrons Hand beschrieb einen weiten Bogen über sämtliche Krieger auf dem Festungswall. Aurion blickte sich um. »Ich werde scharfe Augen an meiner Seite brauchen - Herr Tuck, Ihr sollt meine Farben tragen.« Und während Vidron noch entsetzt dreinschaute, schritt der König bereits die Rampe hinab, und ein kleiner Wurrling trippelte eilends hinter ihm her, um Schritt zu halten.
Und so kam es, dass Tuck Sunderbank als Begleiter des Königs ausgewählt wurde. Er eilte zum Stall, sattelte sein graues Pony und ritt mit Aurion aus der Burg, wobei der Jungbokker die Farben des Hochkönigs trug: ein goldener Greif, aufsteigend auf scharlachrotem Feld.
Sie ritten den Berg hinab, durch die Tore der oberen Wälle. Schließlich kamen sie zum Nordtor des ersten Walls, und Aurion befahl dem Wurrling, seinen Bogen und den Köcher mit Pfeilen der Torwache zu übergeben, denn für Standartenträger bei Unterhandlungen ist es Ehrenpflicht, keine Waffen mitzuführen, da man andernfalls Verrat vermuten würde.
Ein kleines Seitentor wurde geöffnet, und die beiden ritten hinaus: Aurion auf dem grauen Sturmwind, der tänzelte und sich aufbäumte, und Tuck auf einem kleinen grauen Pony, das gleichmütig neben dem Schlachtross einherstapfte. Und von dem Stab, den der Bokker hielt, wehten Scharlachrot und Gold. Als sie Modrus Gesandten näher kamen, ließ ihr Anblick das Blut in Tucks Adern gefrieren.
In dem Rukh erkannte er Gildors Beschreibung wieder: dunkel, mit dürren Armen und krummen Beinen, spitze, weit auseinanderstehende Zähne, Fledermausohren, gelbe Vipernaugen - ein, zwei Handbreit größer als ein Wurrling. Trotz des abstoßenden Aussehens des Rukhs empfand Tuck keine Furcht; nur die Standarte mit der Todessonne, die im gefrorenen Schnee steckte, gab dem Bokker zu denken. Der Ghul hingegen ließ das Herz des Wurrlings heftig pochen: Weiß wie ein Leichnam war er, mit ausdruckslosen, toten, schwarzen Augen. Wie eine Wunde durchschnitt ein roter Mund das bleiche Gesicht, und an den blassen Händen saßen lange Greiffinger. Groß war er, wie ein Mensch, doch war dieses bösartige Wesen, das schwarz gekleidet auf einer pferdeartigen Kreatur saß, kein Mensch.
Was die Helrösser anging, so war Tuck auf die unförmigen Hufe vorbereitet, doch als die langen Rattenschwänze ausschlugen, sah der Bokker, dass sie schuppig waren; und in den Augen der Tiere saßen schlitzförmige Pupillen. Wor auf jedoch weder Tuck und sein graues Pony noch Sturmwind vorbereitet waren, war die widerliche Ausdünstung der Kreaturen, ein fauliger Gestank, bei dem Tuck würgen musste und der sein Pony und Aurions Pferd scheuen und nervös zurückweichen ließ. Nur die feste Hand von Wurrling und König hinderte ihre Reittiere daran, davonzujagen.
Zuletzt fiel Tucks Blick auf den dritten Emissär: ein Mensch, dunkel, wie die Leute aus Hyree oder Kistan. Doch er wirkte sonderbar, denn aus seinem Mundwinkel lief Speichel, sein Kiefer hing schlaff herab, und aus seinen leeren, ausdruckslosen Augen sprach nicht ein Funken von Intelligenz.
All das sah Tuck, als sie sich Modrus Trio näherten, das auf halbem Weg zwischen der Horde und dem Nordtor wartete. Der Wurrling und der König ritten, bis sie die abstoßenden Gesandten erreicht hatten. Der Ghul blickte von einem zum anderen, und als seine toten schwarzen Augen kurz Tucks saphirblaue trafen, fuhr diesem die Angst in die Glieder. Dann wandte sich der Ghul an Modrus Boten und sprach mit einer schrecklichen Stimme - So würden sich Tote anhören, dachte Tuck - ein einziges Wort in der rauen, sabbernden Shik-Sprache: »Gulgok!«
Die leblosen Züge des schwarzen Mannes zuckten, ein Ausdruck äußerster Bösartigkeit füllte seine Augen, und seine Lippen verzogen sich zu einem grausamen, höhnischen Fletschen. Tuck schrie auf und hob abwehrend die Hand, und der König erbleichte, denn eine große Feindseligkeit
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