Mithgar 12 - Der schwaerzeste Tag
Patrel die Treppe hinab. Und als sie unten das Pflaster des Innenhofs überquerten, kamen hinter ihnen Reichsmarschall Ubrik und seine Männer müde über die eiserne Zugbrücke und durch das Tor geritten. Es dauerte lange, bis alle Pferde in die Festung getrabt waren, denn es waren viele; und doch war die Hälfte der Brigade gefallen und draußen auf dem Klauenmoor geblieben.
In düsterem Schweigen führte Arch die fünf Krieger über das vereiste Pflaster der Innenhöfe zum Hauptturm. Sie traten durch ein Portal, stiegen eine im Dunkeln liegende Treppe hinauf und kamen über einen von Fackeln beleuchteten Korridor vor Tucks Tür an. Arch klopfte leise, dann betraten alle den Raum. Und dort saß Laurelin in eine Decke gehüllt, an ihrer Seite König Galen, und Merrili sowie der Heiler standen neben dem Bett, auf dem der von seinen Verbrennungen gezeichnete Tuck lag. Galen sprang auf, er und Igon fielen sich in die Arme, beide froh, dass der Bruder noch lebte. Dann drückte der Prinz sanft einen Kuss auf Laurelins bandagierte Hand, und sie küsste Igon in ihrer Freude über das Wiedersehen auf die Wange. Doch ihre Fröhlichkeit wich im Nu wieder und Tränen traten ihr in die Augen, denn sie hatte eben erst von König Aurions Tod erfahren, und es war, als wäre ihr eigener Vater gestorben. Merrili erblickte Dink und Patrel, und sie stürmte quer durch das Zimmer, umarmte beide und gab Patrel einen Kuss. Dann nahm sie ihn an der Hand und führte ihn zum Bett, wo sich Gildor und Flandrena leise mit dem Heiler unterhielten. »Tuck«, flüsterte sie, und der Bokker drehte das verbrannte Gesicht in die Richtung, aus der ihre Stimme kam. »Tuck, hier ist ein guter Freund: Es ist Patrel. Patrel ist da.« Zu ihrer Bestürzung begann Patrel zu weinen; die Tränen strömten nur so aus seinen grünen Augen.
»Nanu, Patrel.« Tuck streckte eine bandagierte Hand aus, und Patrel ergriff sie vorsichtig. »Jetzt sind wir wieder vereint, aber ich höre dich weinen.«
»Ach, Tuck… und Merrili« - er zog mit der freien Hand die Mamme an sich -, »es ist wegen Danner… Danner ist tot.«
Ein gewaltiger Schneesturm wütete aus dem Nordmeer kommend über Gron, kreischend heulte der Wind über die öden Weiten und trieb den Schnee vor sich her. Der Sturm tobte um die Gipfel und Wände der Rigga und der Gronspitzen und fuhr heftig ins Land hinab. Seine eisige Faust hämmerte an die Wälle und Türme der schwarzen Festung; drinnen saßen dicht gedrängt die Soldaten der Legion, und niemand wagte sich hinaus, nicht einmal in den nächsten Innenhof, denn Mensch, Elf und Wurrling hätten sich nach wenigen Schritten in dem dichten Gestöber verlaufen. Doch nicht nur in Gron wütete der mächtige Sturm: Er fegte an den Jillischen Hügeln entlang und über die Ebene von Dalara, um in Rian und den Ländern darunter einzufallen: Wellen, die Sieben Täler, Harth, Rhön, Reil, Trellinath. Und er heulte über die Steppen von Jord, übersprang den Grimmwall und richtete die Gebiete dahinter übel zu: Aven und Riamon, Darda Erynian und Darda Galion sowie den Großwald.
Und im Süden peitschten Eisregen und Graupelschauer die Reiche Valon, Hoven, das verlassene Günar, Jugo und Fellar und die Insel Arbalin.
Es war, als hätte der Dusterschlund den normalen Lauf des Wetters verhindert, denn nach der Zerstörung des Myrkensteins und dem Zusammenbruch des Dusterschlunds waren Wind und Schnee, Graupel und Eis in einem Schwall über die Welt geschwappt - zum Leidwesen derer, die im Tosen des Wetters festsaßen: Am Gruwenpass kämpften sich Vidron, Talarin und die restlichen Überlebenden jenes heroischen Ausharrens durch den kreischenden Flockenwirbel nach Süden, in Richtung Ardental, denn sie wussten, wenn sie stehen blieben, würde das den sicheren Tod bedeuten.
In den Sieben Tälern drängten sich die Wurrlinge im Klausenwald und im Ostwald zusammen, in den Sümpfen und anderswo, denn die Ghule hatten viele Heime zerstört, und der nachfolgende Schwarm hatte ganze Ortschaften dem Erdboden gleichgemacht. Zwar blieb vom Gezücht niemand am Leben, aber es hatte großen Schaden angerichtet, und das Kleine Volk litt darunter, wenngleich die Sümpfe und Wälder sie vor der schlimmsten Wucht der Stürme schützten.
In Riamon zogen sich Menschen, Elfen und Zwerge hinter die mächtigen Eisentore von Minenburg zurück und schlossen sie rasch wieder, um in der Zuflucht der Höhlen unter dem Rimmengebirge den Sturm auszusitzen.
Und in ganz Mithgar, wo immer
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