Mithgar 15 - Drachenbann
den Teil der Klippe, auf dem sie standen, abbrechen könnte.
Erneut schrie der Hlök und setzte sich dann nach Süden in Bewegung, weg von den Gefährten. Die Rukhs folgten ihm. Das Geschrei und Heulen der restlichen Rukhs und Hlöks und Vulgs auf dem Rand der Klippe entfernte sich ebenfalls in südlicher Richtung, wurde leiser, als würde die ganze Gruppe davonmarschieren.
Als die Geräusche schwächer wurden, hoben die vier vorsichtig die Köpfe und spähten nach oben, suchten den Feind, fanden aber keinen. Trotzdem rührten sie sich nicht, sondern warteten ab. Die Zeit verstrich, oben aber blieb alles still. Schließlich murmelte Riatha, es werde Zeit. Sie lösten ihre Haken, zogen die Keile aus der Wand und kletterten vorsichtig weiter. Sie zitterten vor Müdigkeit und Kälte, bewegten sich aber dennoch so leise, wie es ihre Erschöpfung nur erlaubte.
Der Mond war mittlerweile über dem Rand der Wand verschwunden, sodass sie im Dunkeln weiterkletterten.
Schließlich erreichte Riatha den Rand der Klippe und spähte vorsichtig hinüber. Dann signalisierte sie den anderen, dass alles in Ordnung wäre, zog sich über den Vorsprung und verschwand außer Sicht. Einen Augenblick später tauchte sie wieder auf, winkte sie hoch und packte das Seil, das sich sogleich spannte, als sie den dreien hinaufhalf.
Nachdem Faeril, Gwylly und schließlich Aravan über den Rand geklettert waren und sich aufgerichtet hatten, sahen sie in der Nähe auf der Ebene im Licht des Mondes eine gewaltige weiße Wand, die sich im Norden und Süden bis zum Horizont erstreckte. Die eisige Luft, die über den Rand der Schlucht geweht war, kam von dieser Masse. Es war der östliche Rand des Großen Nord-Gletschers.
Mit brennenden Augen musterten sie die Gegend und suchten den Feind, ohne ihn jedoch zu erblicken. Im Süden jedoch, eine knappe Viertelmeile entfernt, hob sich eine gewaltige Eismasse ab, die offenbar von dem Gletscher gekalbt war. Und von dort kam ein goldenes Schimmern.
Die vier hatten ein Gefühl, als würden sie zu diesem Schein gezogen, als riefe er sie.
»Vorsicht!«, sagte Riatha und zog Dünamis aus der Scheide auf ihrem Rücken. Aravan löste rasch die Knoten der Seile, die Faeril anschließend aufwickelte und an ihre Kletterharnische klemmte. Während die Damman die Stricke an ihren, Riathas und Gwyllys Gürteln befestigte, nahm Aravan seinen Kristallspeer von der Schulter. Anschließend marschierten die vier weiter, in Richtung des goldenen Lichtes. Riatha vorneweg, Aravan als Nachhut.
Faeril lockerte ihre Dolche in den Scheiden und nahm eines der stählernen Wurfmesser in die Hand, bereit zum Wurf. Gwylly legte ein Stahlgeschoss in die Tasche seiner Schleuder und versuchte, sie zu schwingen. Vergeblich. Er sog vor Schmerz die Luft ein, denn sein verletzter Arm erlaubte ihm nicht, die Bewegung zu beenden. Also steckte er Schleuder und Stein wieder weg, zog stattdessen seinen Dolch und nahm ihn in die linke Hand.
Sie näherten sich stetig, aber vorsichtig dem Schimmer. Weiter voraus ragte die östliche Wand des Gletschers empor, und genau vor ihnen lag inmitten von Trümmern das gewaltige Stück, das von ihm abgespalten worden war. Sie gingen in einem Bogen um den Abbruch herum. Riatha flüsterte, dass es ganz frisch von dem Hauptgletscher abgefallen sein musste. »Vielleicht hat es auch dieses ungeheure Krachen und den Rumms verursacht, den wir gehört haben«, murmelte Aravan. Sie suchten sich einen Weg zwischen Abbruch und Hauptgletscher und näherten sich dem goldenen Licht.
Schließlich lag das Strahlen unmittelbar vor ihnen. Es kam aus der Wand des Gletschers und war in seiner Mitte am hellsten, etwa fünf Meter über dem Boden, wo das Eis gebrochen und rissig war, über einem Hang aus zertrümmerten Eisbrocken. Noch während sie die Trümmer betrachteten, bebte die Erde erneut und eine gewaltige Menge aus Eisplatten löste sich vom Gletscher und rutschte den Hang aus Eis hinab. Plötzlich stöhnte Riatha auf und stürmte vor, kletterte über den rutschenden Hang, ohne auf Feinde oder die Gefahr zu achten, die von dem bröckelnden Gletscher ausging.
»Riatha!«, schrie Aravan, doch sie bleib nicht stehen. Hastig folgten ihr die drei.
Riatha kletterte zu dem goldenen Licht empor. »Schnell!«, rief sie, »helft mir!«
Aravan, Faeril und Gwylly stiegen über die rutschenden Eisbrocken, bis sie den goldenen Schimmer schließlich erreichten. Der riesige Gletscher türmte sich über ihnen, weiß und glitzernd.
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