Mithgar 15 - Drachenbann
Gwyllys Worte wurden von einem markerschütternden Heulen unterbrochen, das von oben herabgellte. Es erinnerte an einen Vulg, war aber … ein Heulen, das tief und stark begann und dann schwächer wurde, als wäre ein Vulg verletzt oder irgendwie geschwächt worden.
»Seht!«, rief Faeril. »Die Rukhs da unten!«
Auf der Sohle der Schlucht lief die Brut verwirrt durcheinander.
Wieder ertönte das Heulen, und diesmal antwortete ihm ein Chor aus fernen Vulgkehlen. Sie waren zwar noch weit weg, doch schon auf dem Rand der Schlucht, irgendwo im Süden.
Jetzt drangen die Jubelrufe der Brut aus der Schlucht zu ihnen herauf. Gwylly blickte nach unten. Die Rukhs sprangen herum, als würden sie etwas feiern.
»Schnell«, befahl Riatha gepresst. »Wir müssen weiterklettern!«
»Aber …« Gwyllys Protest wurde von der Elfe erstickt. »Sofort!«, befahl sie. Sie stiegen weiter empor.
Unter ihnen plünderte die Brut die Fracht des Schlittens und trottete dann davon, durch die gewundene Schlucht. Sie gaben ihre Wache am Fuß der Felswand auf.
Über ihnen, fern auf dem Rand der Klippe, wurde das Heulen lauter, als sich das Vulgrudel näherte.
»Riatha!«, rief Gwylly, während er sich den Fels hinaufzog. »Die Brut unter uns ist verschwunden. Aber die oben kommt immer näher. Nach unten ist es sicher, oben aber lauert Gefahr. Warum klettern wir also noch weiter hoch?«
Das eisige Heulen über ihnen gellte wieder durch die Nacht.
»Hört Ihr das, Kleiner?«, gab Riatha zurück. »Diesen Ruf! Ich habe ihn früher schon einmal gehört, nicht denselben zwar, aber fast genau so einen. Er kam aus der Kehle von Stoke, der um Hilfe rief. Falls Stoke tatsächlich dort oben ist und wir ihn erreichen können, bevor die Brut eintrifft, werden wir diese widerliche Monstrosität unbedingt abschlachten!«
Sie kletterten weiter, so schnell es Gwyllys verletzter Arm erlaubte. Das Geheul der Vulgs vom Rand der Klippe wurde immer lauter, als sich das Rudel näherte. Und immer noch wurde das Land von Beben erschüttert, die Felsbrocken und Eis aus der Wand lösten. Aber wie Faeril schon gesagt hatte: Je höher sie kamen, desto weniger befand sich über ihnen, das sie hätte treffen können. Der eisige Wind dagegen, der dort oben wehte, wurde mit jedem Meter, den sie weiterkamen, kälter. Doch durch die Anstrengung, die der Aufstieg kostete, lief ihnen der Schweiß unter ihrer Kleidung über die Haut. Ihre Herzen hämmerten und sie keuchten, als sie all ihre Geschicklichkeit zusammennahmen, um den Fels so rasch wie möglich hinaufzuklettern.
Sie waren noch mehr als dreißig Meter vom Rand der Klippe entfernt, als das Heulen der Vulgs wie ein Chor über ihnen ertönte.
Riatha hielt inne. »Wir haben das Rennen verloren«, keuchte sie.
Gebrüll und Heulen zerriss die Nacht, während sich die vier zäh an den Fels und das Eis klammerten, der eisige Wind um sie herum peitschte und ihnen bis in die Knochen zu dringen schien. Sie rammten Keile in die Spalten und Risse, sicherten sich an diesen Ankern, um ihre Arme und Beine zu entspannen und sich auszuruhen. Sie waren maßlos erschöpft.
Die Zeit verstrich nur zäh, während die Vulgs über ihnen unablässig heulten. Schließlich ertönten Schritte von eisenbeschlagenen Stiefeln: die Brut traf ein. Kurz darauf bellten rüptische Stimmen ihren Triumph heraus.
Nach einer Weile näherte sich ein Hlök dem Rand der Klippe, etwa hundert Schritte von der Stelle entfernt, an der sie hingen, und schrie etwas hinunter. Sie konnten jedoch nicht verstehen, was er brüllte, denn er benutzte das Slük, eine Sprache, die keiner der vier in der Felswand verstand. Sie blieben im Fels reglos hängen und hofften, dass sie, geschützt von der elfischen Kleidung und ihrer Bewegungslosigkeit, nicht entdeckt wurden.
Einige Rukhs gesellten sich zu dem Hlök. Gemeinsam schritten sie den Rand der Klippe ab, spähten hinunter und schrien sich gegenseitig etwas zu. Offenbar suchten sie nach den vier Gefährten. Die sich aber nicht rührten, während ihre Herzen wie verrückt schlugen. Sie hatten ihre Köpfe gesenkt, damit ihre weißen Gesichter sie nicht verrieten. Schließlich hörten sie die Rufe der Brut knapp über sich, aber die vier drückten sich an die Wand, bewegten sich nicht und hielten ihre Gesichter gesenkt.
Das Land erbebte unter einem weiteren Stoß. Felsen und Eis polterten hinab in die Tiefe. Die Rukhs traten vom Rand der Klippen zurück, offenbar aus Angst, dass dieses Beben sie hinabreißen oder
Weitere Kostenlose Bücher