Mithgar 15 - Drachenbann
Irgendwo hinter den Biegungen der Schlucht versuchten ihnen Rukhs und Hlöks und Vulgs den Weg abzuschneiden, während das Auge des Jägers drohend blutrot und fern seine Bahn über den Himmel zog.
Sie hatten die Hälfte hinter sich gebracht, etwa zweihundert Meter, als die Welt erneut von einem langen, gewaltigen Stoß erschüttert wurde. Ein donnerndes Krachen ertönte von oben, gefolgt von einem gewaltigen Poltern, als wäre ein ganzes Stück der Felswand abgebrochen und hinabgestürzt. Das Beben dauerte jedoch an, und der Fels vibrierte heftig, während Tonnen von Steinen und Eis hinabregneten. Die vier befanden sich jedoch zu diesem Zeitpunkt an einem geschützten Ort. Nur wenige Augenblicke vor dem Beben hatten sie Schutz in einem flachen, geschlossenen Schlot gesucht, wo sie eine kurze Rast einlegten, damit Gwylly seinen Arm entspannen konnte. Sie ruhten auf einem langen, schmalen Vorsprung am Fuß des Schlotes. Als die Welt sich jetzt so heftig schüttelte, hielten sich die vier aus Leibeskräften fest, nur knapp geschützt von dem schmalen Spalt, und pressten sich mit dem Rücken an den Fels, während Tonnen von Gestein und Eis an ihnen vorbeidonnerten. Als es vorbei war, hörten sie in der Ferne das schwache Läuten eiserner Glocken.
»Meiner Treu«, ließ sich Gwyllys Flüstern in der Stille vernehmen. »Wenn wir jetzt da draußen gewesen wären …« Mehr sagte er nicht, aber alle wussten, was er gemeint hatte.
Nach einer kurzen Rast und einem Schluck Wasser machten sie sich daran, weiterzuklettern. Unter ihnen blockierten immer noch die Rüpt diesen Fluchtweg.
»Warum finden wir nur keinen tiefen Spalt oder eine kleine Höhle unter einem Überhang, wo wir sicher abwarten können, bis die Sonne aufgeht?«, fragte Faeril. »Dann muss die Brut verschwinden.«
»Das hoffe ich, seit wir mit dem Aufstieg begonnen haben, Faeril«, antwortete Riatha. »Sollten wir auf einen solchen Unterschlupf stoßen, werden wir genau das tun und auf das Morgengrauen warten. Denn die Sonne wird die Rucha in ihre sonnenlosen Löcher treiben. Bis dahin jedoch müssen wir weiterklettern, denn diese Felswand ist zu gefährlich, als dass wir hier bleiben könnten.«
»Trotzdem, Riatha«, mischte sich Aravan ein, »so gefährlich diese Wand wegen der Beben auch ist, Vulgs, Rucha und Loka sind noch gefährlicher. Und sie versuchen, auf den Rand der Schlucht über uns zu gelangen, falls wir ihre mörderischen Absichten richtig gedeutet haben.«
»Vermaledeit!«, knurrte Gwylly. »Da hocken wir hier mitten in der Nacht unter dem blutroten Auge des Jägers, in diesem von Brut verseuchten Grimmwall, ohne Vorräte, und klammern uns in zweihundert Metern Höhe an eine steile, gefrorene Felswand, während Stein und Eis tonnenweise auf uns herabregnen, sobald sich dieses von Drachen heimgesuchte Land schüttelt, als wollte es uns loswerden; unter uns wartet Brut, die uns umbringen will, Vulgs und anderes Gezücht versucht, über uns zu kommen, um uns ebenfalls zu töten, und wir finden keinen sicheren Ort, wo wir abwarten können, bis die Sonne sie vertreibt.«
Faeril sah ihren Bokkerer an und lächelte. »Gwylly, Liebster, das erinnert mich an etwas, was Patrel in den düsteren Zeiten des Winterkrieges zu Danner sagte.«
Gwylly sah seine Dammia fragend an. »Und was war das?«
»Er hat ihn gefragt«, erwiderte Faeril, »was er tun wollte, wenn es wirklich schlimm werden würde.«
Gwylly sah sie einen Augenblick lang verständnislos an, und ein Beben erschütterte die Klippe. Dann begann der Bokkerer zu lachen und Faeril kicherte. Riatha und Aravan sahen sich für einen Moment verblüfft an und lächelten dann ebenfalls. Während Eis und Steine an ihnen vorbeiregneten, klammerten sich die vier an den schieren Fels und lachten.
Kurz darauf kletterten sie weiter, langsam, Zentimeter um Zentimeter. Die eisige Luft vom Rand der Schlucht wehte noch über sie hinweg und wurde immer kälter, je höher sie kamen. Sie kletterten etwa eine Stunde, in der sie weitere siebzig Meter schafften, und legten ab und zu eine Rast ein. Wenn das Land erzitterte und der Stein- und Eisschlag einsetzte, pressten sie sich verzweifelt an die Felswand.
»Es wird weniger«, erklärte Faeril schließlich. »Je höher wir kommen, desto weniger kann von oben auf uns herunterfallen.«
»Und je höher wir steigen«, rief Aravan von unten, »desto näher kommen wir den Rüpt, die vielleicht schon auf uns warten.«
»Vielleicht können wir …« Doch
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