Mithgar 16 - Drachenmacht
Sie nehmen Wasser nämlich hauptsächlich durch diese Sträucher und das Gras und die Büsche zu sich und saufen nur selten. Ich weiß, dass sie oft einen ganzen Winter lang ohne ein einziges Mal zu saufen auskommen, vor allem, wenn das Gras üppig und saftig ist, und am Morgen Tau darauf liegt.
Wir werden ihnen am Abend etwas Wasser anbieten, aber sie werden gewiss nur dann saufen, wenn es wenig Gras gibt.«
Sie bauten ihre Zeltplanen ab, banden sie auf die übel gelaunten Lasttiere, die knurrten und schnaubten und versuchten, jeden zu beißen, der sich ihnen näherte. Am Ende jedoch gehorchten sie und erhoben sich langsam, zunächst auf die Hinterbeine und dann auf erst ein Vorderbein, danach auf das zweite. Es war im besten Fall ein recht umständliches Manöver, das die ganze Zeit über von Ächzen, Knurren und Prusten begleitet wurde.
Gwylly wandte sich zu Halid herum. »Sagt, Halid, kommt es Euch auch so vor, als könnten wir genauso gut im Krähennest der Bello Vento hocken, so wie wir schaukeln und krängen? Ich meine, wir sitzen hier oben in luftiger Höhe, höher als ein Mann. Wir können von hier aus ja fast die Stelle sehen, wo wir heute Nacht lagern.«
Halid lächelte. »Nicht ganz, Gwylly. Unser nächster Lagerplatz liegt mehr als zwanzig Meilen südlich … etwa fünf Stunden.«
Halids Schätzung war recht genau, denn sie erreichten ihr Lager tatsächlich in etwas weniger als fünf Stunden, mitten in der Nacht.
An diesem Tag hatten sie dreizehn Werst zurückgelegt, fast neununddreißig Meilen. Das war eine sehr gute Tagesetappe, dazu eine, die sie fast jeden Tag schafften. Denn trotz der ständigen Proteste ihrer Kamele waren sie nur leicht beladen.
Sie schlugen ihr Lager auf, aßen und gossen etwas hruja- Öl in einen kleinen Ring um jede Bettstatt. Diese Grenze würden Skorpione nicht überschreiten.
In der Nacht hielten sie abwechselnd Wache: erst Reigo, dann Halid, Aravan, Gwylly, Faeril, Riatha und Urus.
Beim Frühstück am nächsten Morgen blickte Faeril über die kleine Oase, sah jedoch nur Dornbüsche und karges Gras, und wunderte sich wie ein Tier dabei überleben konnte. Doch als sie den Kamelen Wasser zum Saufen anboten, prusteten diese nur angewidert. Sie tranken nicht, sondern fraßen lieber die Pflanzen, die sie mochten. Das angebotene Getreide jedoch kauten sie gierig, denn ihr Appetit schien unstillbar zu sein.
Sie ritten vier Tage lang nach Süden, lagerten erst spät in der Nacht, stellten Wachen auf, standen im Morgengrauen auf und ruhten in der Mittagshitze. Je nach Weidegründen soffen die Kamele oder fraßen stattdessen.
Die Landschaft, durch die sie reisten, wirkte öde und einsam; es gab nur Sand, Steine und spärliche Vegetation. Dennoch strahlte diese karge Natur eine gewisse Schönheit aus: Einsame Felsspitzen ragten oftmals mehr als hundert Meter in den Himmel empor, als wäre ein ganzer Berg von dem windgepeitschten Sand bis auf seinen Kern abgenagt worden, der nur einen gewaltigen Monolithen übrig gelassen hatte, der fast dreißig Meilen weit zu sehen war. Ausgetrocknete Flussbetten, oueds, durchzogen das Land, stumme Zeugen dafür, dass hier einst Wasser geflossen war und es vielleicht auch wieder tun würde. Hügel aus rotem Fels erhoben sich aus dem rostroten Sand, deren fantastische Strukturen und Schichten in der Sonne leuchteten. Riesige Flächen von erodierten Felssäulen, sogenannten Unglücksbringern, erstreckten sich vor den Augen der Gefährten, Pfeiler, die der Wind geformt hatte. Sie standen da - wie von der Zeit verschlungene Felder von uralten Obelisken, Königen gewidmet, die ebenfalls lange vergessen waren. Es gab Täler aus rauen Steinen, deren Oberflächen rund geschliffen waren, wie vom Wasser der Ozeane. Dabei hatten diese Kunstwerke der Wind und der Sand geschaffen. Flache, runde Flächen erstreckten sich in der Landschaft, deren Ränder und Böden von verkrustetem Salz überzogen waren. Aufrechte Felssteine standen in oft Hunderte von Metern langen Reihen da, hier und da von Löchern durchbohrt, die einen Blick wie durch ein Fenster boten. Manchmal ritten die Gefährten über blanken Fels, der sich eine Meile weit oder noch weiter erstreckte. Die K’affeyah nannten sie die Betten der Giganten. Ab und zu stießen sie auch auf ausgedehnte Felder mit grasigen Hügeln, die ihnen wie willkürlich angeordnet erschienen. Hier ließen sie ihre Kamele grasen.
Aber immer wieder ritten sie durch Dünen, durch den Sand der Karoo, über das
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