Mithgar 16 - Drachenmacht
Frage? Ich meine, wir sagen: »Das weiß Adon allein!« Ist das so anders als die Antwort, in die sich die Priester dieses Wüstenkönigreichs flüchteten, wenn sie sagten: >Nur Rakka weiß das.«
Aravan lachte, klatschte in die Hände und erklärte: »Faeril, Ihr habt Eure Frage selbst beantwortet!«
Wieder wandte Faeril den Kopf und sah den Elf an. »Warum, Aravan, warum?«
»Ganz einfach, Kleine. Als die Priester sagten: >Nur Rakka weiß es!<, da haben sie sich tatsächlich hinter ihrem Glauben versteckt, sich damit vor einer Suche nach der Wahrheit geschützt und diese Antwort benutzt, um die schwierigen Fragen zu beantworten, die wir ihnen stellten. Eigentlich haben sie gesagt: >Mein Glaube ist mein Schild!<. Denn wenn man sich hinter Doktrinen und Worten versteckt, die in uralten Schriftrollen aufgezeichnet stehen, so bedeutet das, man weigert sich, Alternativen zu betrachten, die einen Gläubigen zwingen würden, neue Ideen oder Spekulationen oder Tatsachen zu erforschen, die im Gegensatz zum engstirnigen Wissen der schriftlich fixierten Lehrmeinung stehen. Sie glauben, dass jede Suche nach Wahrheit ihren Gott selbst infrage stellt und nur einen mangelnden Glauben beweist, und dass das Böse die Quelle aller Neugier ist, die die Geschichten des »einen wahren Weges zur Erlösung« infrage stellt.
Wenn wir jedoch sagen: >Das weiß Adon allein!<, so geben wir zu, dass wir in diesem Augenblick nichts wissen, und glauben, dass wir irgendwo, wenn wir nur lange genug danach suchen, die Wahrheit entdecken können. Wir glauben, dass Adon Neugier fördert und die Suche nach Wahrheit stützt, ganz gleich, wohin eine solche Suche auch führen mag, denn Er hat nichts zu verbergen.«
Faeril hob die Hände. »Ich verstehe!«, rief sie. »In dem einen Fall sagen die Leute es, um es als Schild gegen die Person zu verwenden, die vielleicht eine Wahrheit entdecken könnte, welche sie zwingt, ihren Glauben neu einzuschätzen, ja, vielleicht sogar die grundlegendsten Überzeugungen über den Haufen wirft, wohingegen im anderen Fall dieses Sprichwort eine Art Startplatz für die Suche nach der Wahrheit ist, ganz gleich, welche Veränderungen im Glauben die Ergebnisse dieser Suche auch bewirken könnten.«
Aravan drückte Faerils Schulter. »Genau das, Faeril, genau das.«
Der Regen der letzten Tage hatte große Wasserlachen auf dem tief liegenden Wüstenboden hinterlassen, und die Gefährten nutzten nun jede sich bietende Gelegenheit, ihre Trinkschläuche und Flaschen zu füllen, sowie selbst viel zu trinken. Zuvor jedoch überzeugten sie sich davon, dass das Wasser auch trinkbar war. Wie sie jedoch herausgefunden hatten, war das Wasser einiger dieser Lachen nicht genießbar.
Als sie durch die wie neugeborene Wüste ritten, grasten ihre Kamele jede Nacht, und an den Plätzen, wo die an den Füßen gefesselten, prustenden Tiere weiter entfernt wandern konnten, wurden sie an langen Leinen mitten in der Vegetation festgebunden.
Dennoch war es tagsüber sehr heiß, und manchmal ritten sie auch durch trockne Dünen. Aber immer wieder fanden sie geeignete Lagerplätze. Es war Dezember. Das bedeutete: Die Nächte waren kalt, und am Morgen lag viel Tau auf dem Sand.
Fünf Tage, nachdem sie das Wasserloch verlassen hatten, erreichten sie spät in der Nacht ihr nächstes Ziel, einen Brunnen.
Am folgenden Tag ruhten sie, und in der Nacht, der Langen Nacht des Jahres, begingen sie unter den Sternen an einem mondlosen Himmel feierlich das Ritual der Wintersonnenwende. Urus gesellte sich bei dem feierlichen Tanz zu Riatha.
Am nächsten Morgen brachen sie zu einem weiteren Ziel auf, einer Zisterne, hundertdreißig Meilen entfernt.
Mitten am vierten Tag ihres Rittes kamen sie zu der Stelle, wo sich laut Karte die Zisterne befinden sollte. Doch sie fanden nur Dünen. Aravan blickte prüfend zur Sonne hinauf und schaute dann auf Riathas Karte. »Entweder ist die Markierung auf dieser Karte falsch, oder die Zisterne ist verschwunden. Vielleicht hat es sie hier auch nie gegeben.«
Riatha betrachtete den Sand ringsum. »Vielleicht, Aravan, liegt die Zisterne tatsächlich hier irgendwo unter den Wanderdünen begraben.«
»Es spielt keine Rolle«, brummte Urus. »Keine Zisterne, kein Wasser. Aber wir haben noch genug. Reiten wir weiter zur nächsten Oase.«
Also setzten sie ihre Reise fort, zu der ersten der drei Oasen, die, in der Karte vermerkt, auf ihrem Zickzackkurs nach Nizari noch vor ihnen lagen.
In der Wüste war es
Weitere Kostenlose Bücher