Mittagessen Nebensache
Krankendiät unterhielt, darum konnte
ich mir gut vorstellen, daß es dir nicht viel besser ergehen würde als mir.
Eigentlich unvorstellbar, daß man Brot und Milch so schnell sattbekommen kann.«
»Und das Zeug sah so grau aus!
Sam kam an mein Bett und rührte die ganze Schose mit einem hölzernen Löffel um.
Als ich bemerkte, ein Umschlag aus diesem heißen Brotbrei würde meiner Brust bestimmt sehr guttun, war er ganz pikiert. Aber wir wollen
nicht lästern, Susan. Die Guten haben wirklich ihr Bestes getan. Wir wollen nur
in Zukunft darauf achten, nicht mehr zur gleichen Zeit krank zu werden. Es ist
doch reichlich anstrengend, sich auf diese Art pflegen zu lassen.«
Ich pflichtete ihr voll und
ganz bei und meinte, zumindest aber mobilisierte eine derartige Behandlung
sämtliche Widerstandskräfte des Patienten.
Dawn war nun schon drei Tage
fort, ohne daß wir ein Sterbenswörtchen von ihr gehört hatten. Sobald ich mich
dazu imstande fühlte, rief ich bei den Hills an. Dawns Stimme klang restlos
erschöpft. Vermutlich befand sie sich nicht allein im Zimmer, da sie sich
zunächst einmal nach meinem Befinden erkundigte und noch ein paar allgemeine
Bemerkungen machte. Plötzlich senkte sie die Stimme. »Susan, das ist die
Hölle«, stieß sie ingrimmig aus. »Ich habe jetzt die Tür geschlossen — er
unterhält sich nebenan mit ihr. Ich bin halb tot. Das ist ja geradezu
unmenschlich, was von einem verlangt wird. Ich halte das nicht aus.« Ich hatte
ganz den Eindruck, daß sie verzweifelt mit den Tränen kämpfte.
»Ich weiß«, sagte ich bedrückt.
»Ich habe mir gleich gedacht, daß es für dich sehr schwer sein wird. Es tut mir
wirklich leid, mein Kleines. Versuche doch noch drei Tage durchzuhalten, ja?
Dann wird Larry oder ich dich ablösen.«
»Noch drei Tage? Warum sagtst du nicht gleich drei Jahre? Außerdem werdet ihr in
drei Tagen noch gar nicht kommen können. Das bedeutet für mich also
lebenslängliche Zwangsarbeit. Und — Susan — warum hast du nie etwas von
Klein-Henry erzählt? Wie, um alles... ähäm , ich kann
jetzt nicht mehr... Telefoniere du nicht, ich rufe dich an. Ich werde
auszuhalten versuchen, aber ich warne dich... «
Und dann kam ihre Stimme wieder
laut und deutlich: »Also schön, Susan, ich freue mich, daß es dir wieder besser
geht. Ich werde Mrs. Hill bestellen, daß du dich nach
ihr erkundigt hast. Auf Wiedersehen.«
Immerhin, Dawn zeigte Haltung,
wie sie versprochen hatte. Aber wovor hatte sie mich warnen wollen? Nun ja, ich
konnte es mir schon denken: daß sie sterben würde, zusammenbrechen, verrückt
werden — und so weiter. Ich wußte bereits aus Erfahrung, was meiner kleinen
Schwester unter ähnlichen Umständen alles zu passieren drohte.
So glaubte ich jedenfalls.
Ich rief sie also nicht mehr
an, da sie ja ausdrücklich darum gebeten hatte. Aber als ich drei Tage später
noch immer nichts von ihr gehört hatte, fühlte ich mich doch verpflichtet, mich
nach Mrs. Hills Befinden zu erkundigen. Bei der
Gelegenheit wollte ich Dawn auch gleich eröffnen, daß ich am nächsten Tag
kommen würde, um sie zu erlösen. Zu meiner Überraschung hörte ich eine völlig
fremde Stimme:
»Hier ist die Schwester. Wer — sagten
Sie — spricht dort? Mrs. Russell? Ja, und was kann
ich für Sie tun?« Die Stimme klang kühl und unpersönlich, und irgendwie fühlte
ich mich gewarnt. Ich mußte vorsichtig sein. Darum erkundigte ich mich zunächst
einmal höflich nach dem Ergehen der Patientin und zwang mich, meine
aufsteigende Angst zu unterdrücken. Natürlich mußte es Dawn gut gehen, sie
würde jeden Augenblick an den Apparat kommen. Endlich fragte ich nach ihr.
»Miss Abbott...? Sie ist nicht
da.«
»Nicht da?« echote ich tonlos,
und mein Herz begann wie rasend zu klopfen. Ich versuchte mir klarzumachen, daß
dieses Schwächegefühl einzig und allein auf meine eben überstandene Grippe
zurückzuführen sei. Ich zwang mich, ruhig zu sprechen. »Natürlich, sie wird ja
schließlich nicht mehr gebraucht, wenn Sie jetzt dort sind. Wie dumm von mir.«
»Ja, Miss Abbott ist bereits
gestern gegangen. Sie hat das Haus eine halbe Stunde nach meiner Ankunft
verlassen. Sie schien in großer Eile gewesen zu sein. Der Herr, der sie
abholte, ist nicht einmal aus dem Wagen gestiegen.«
>Der Herr, der sie
abholte..!< Mir wurde ganz schwach in den Knien, und ich tastete nach einem Stuhl.
»Oh, dann ist ja alles in Ordnung«, brachte ich noch verhältnismäßig ruhig
heraus. »Vielen Dank,
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