Mittagessen Nebensache
zu bemerken. Die beiden traten zu einem Doppel an und schlugen Dawn und David so vernichtend, daß der sonst so überhebliche junge Mann sichtlich peinlich berührt schien.
Als wir uns später im Bad zurechtmachten, musterte Larry Ruth plötzlich von der Seite und meinte obenhin, daß sie mit offenem Haar doch eigentlich viel hübscher aussähe... »Warum tragen Sie es nicht immer so?«
Ruth blickte gleichgültig in den Spiegel. »Schrecklich unordentlich sehe ich aus! Zu dumm, ich habe fast alle Haarnadeln verloren. Ich war der Meinung, noch ein paar zur Reserve in meiner Handtasche zu haben, aber ich kann keine finden.«
Ich hatte beobachtet, daß Larry sich zuvor an Ruths Handtasche zu schaffen gemacht hatte, und war darum über das Verschwinden der Haarnadeln nicht weiter erstaunt. »Nun ja«, sagte Larry fröhlich. »Damit wird Ihnen bestimmt niemand aushelfen können, es sei denn« — sie wandte sich an Dawn — , »Sie haben ein paar liegengelassen bei Ihren heimlichen Besuchen hier im Haus.«
»Tut mir leid, nicht schuldig«, erwiderte Dawn und schüttelte ihre blonde Mähne. »Ich meine — nicht schuldig, solche Dinger zu benützen. Die Besuche gebe ich zu.«
Larry trat plötzlich blitzschnell mit dem Kamm in der Hand auf Ruth zu. »Sehen Sie, so meine ich das. Lassen Sie es etwas kürzer schneiden und hinten herunterfallen. Das steht Ihnen.«
Aber das Mädchen war ein hoffnungsloser Fall. »Ach, das macht mir zuviel Mühe. Die Rolle ist viel einfacher.«
»Aber im Gegenteil! Sie haben so wundervolle Naturwellen, warum wollen Sie das nicht zugeben? In einer Minute sind Sie frisiert und brauchen keine Haarnadeln.«
Aber Ruth zeigte sich völlig desinteressiert. »Wissen Sie, ich habe mich an die Rolle gewöhnt. Ich möchte gar keine andere Frisur.«
Dawn kicherte, schnitt hinter Ruths Rücken ein Gesicht und schwirrte hinaus. Larry warf mir einen verzweifelten Blick zu. »Aber wenn Sie doch viel hübscher aussehen würden«, fuhr sie hartnäckig fort. »Einmal mit dem Kamm durchgefahren, und fertig sind Sie.«
Mit diesem Mädchen war nichts zu machen. Miss Adams sollte anscheinend recht behalten — Larry hatte kein Glück mit ihrem Verschönerungstrieb. Aber ich kannte sie lange genug, um zu wissen, daß sie schließlich doch noch zum Ziel kommen würde. Bisher hatte sie noch stets ihren Kopf durchgesetzt.
»So was Stures!« beklagte sie sich später bei mir. »Aber nur Geduld. Das schaffen wir auch noch.«
»Wenn sie doch aber nicht will...?«
»Ruth war letztes Wochenende bei uns, und seitdem habe ich sie richtig gern. Sie paßt zu uns. Macht prächtige Fortschritte im Reiten und liebt Tiere. Du hättest sie mit Emily erleben sollen! Alle Tiere haben sie gern, aber Emily scheint direkt eine Leidenschaft für sie zu entwickeln. Sie hat ihr fast den ganzen Rücken aus dem Kleid geknabbert, als wir uns über das Gatter lehnten.« Versonnen fügte sie hinzu: »Mir wäre es noch lieber gewesen, sie hätte ihr die Haare abgeknabbert.«
Emily war das schlimmste von Larrys Getier. Aus dem schwächlichen Lämmchen, das Larry einst mit der Flasche hochgepäppelt hatte,- war ein ausgewachsenes Mutterschaf geworden und gleichzeitig die zerstörungswütigste Kreatur, die ich je kennengelernt habe. Von den Strümpfen auf der Wäscheleine knabberte sie die Füße ab, und ihr Geschmack an Blumen war genauso vorzüglich wie ihre Technik, sich gegen Türen zu lehnen, bis sie aufsprangen. Emily war Larrys ausgemachter Liebling, und die Tatsache, daß sie, die jedem Fremden mit instinktiver Abneigung begegnete, sich Ruth gegenüber anhänglich zeigte, war in Larrys Augen natürlich ein unerhörtes Plus.
»Ich habe mir immer schon irgend so ein liebes Viecherl gewünscht«, hatte Ruth sich Sam gegenüber geäußert, »aber wir hatten es nur zu ein paar Katzen gebracht. Und sie starben entweder an Influenza oder wurden totgefahren. So dauerhaft wie die von Larry waren sie nicht.«
»Mir sind sie viel zu dauerhaft«, war Sams trockene Erwiderung gewesen. »Larrys Lieblinge sterben nie. Emily wird mich wahrscheinlich überleben. Ganz bestimmt aber wird sie sämtliche Türen überleben.«
Später meinte er zu Larry, Ruth sei ein ausnehmend nettes Mädchen. »Sie würde eine großartige Farmersfrau.«
»Wie entsetzlich eingebildet doch unsere Männer sind«, sagte Larry zu mir. »>Eine großartige Farmersfrau...!< Das höchste aller Komplimente, zu dem sie sich aufschwingen können!«
Ich weiß nicht mehr
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