Mittagessen Nebensache
sein?«
»Wer hat denn welche...? Christina?«
»Christina ist quicklebendig. Es handelt sich um Ruth! Sie sieht ganz elend aus.«
»Was hat sie denn bei dir zu essen bekommen?«
»Sie hat gar nichts gegessen. Die Schmerzen begannen vor dem Abendbrot. Sie wollte nicht, daß ich dich anrufe. Du weißt ja, sie macht wenig Aufhebens von sich. Aber sie ist ganz grün im Gesicht.«
»Könnte es eventuell Fleischvergiftung sein?« fragte ich schließlich, nachdem ich ihr die verschiedensten Mittel empfohlen hatte. »Dann solltest du lieber Doktor North anrufen.«
»Diesen aufgeblasenen Pinsel? Kommt gar nicht in Frage. Außerdem kann es keine Fleischvergiftung sein, weil sie schon seit Wochen keine Konserve angerührt hat, wie sie behauptet.«
»Die Muscheln!« kam mir plötzlich die Erleuchtung. »Für manche Leute sind sie Gift. Sie sind bestimmt die Ursache.«
»Ja, schon möglich... Wir hatten nicht viel Glück mit unserem Picknick, wie?«
»Ich habe auch den Eindruck. Möglicherweise besteht die Abneigung unserer Männer gegen solche Unternehmungen doch zu Recht...«
Am nächsten Morgen erfuhr ich von Larry, daß Ruth wieder nach Tiri gefahren sei. Sie habe zwar eine schlechte Nacht verbracht — trotz eines gewaltigen Konsums von Aspirintabletten — , aber nun fühle sie sich wieder besser.
»Sie hat mir gesagt, sie hätte bereits vor vierzehn Tagen einen solchen Anfall gehabt, und damals habe sie ganz bestimmt keine Muscheln gegessen, sondern etwas Fettes, schwer Verdauliches. Miss Adams glaubt, es sei der Appendix. Ich würde es zwar den Männern gegenüber auf keinen Fall zugeben, aber es dürfte wohl besser sein, wenn wir in nächster Zeit auf Picknicks verzichteten. Christinas Haar war völlig mit Butter und Sand verkleistert.«
»Und Christophers Hand sieht böse aus. Du hast ganz recht, vorläufig keine Picknicks mehr!«
»Aber trotzdem finde ich es wundervoll, daß man selbst aus der übelsten Situation noch Positives herausschlagen kann. Ich meine Ruths Haare! Diese vom Himmel geschickte Chance!«
»Vom Himmel geschickte...? Du schmeichelst dir selbst, Larry.«
»Sei doch nicht immer gleich so unfreundlich, Susan. Am Dienstag fahre ich mit ihr in die Stadt, und wenn wir zurückkommen, wird sie eine entzückende Frisur haben — da gehe ich jede Wette ein.«
Das klang fast wie eine Drohung.
7
Am Dienstagabend rief Larry mich wieder an. Ihre Stimme war eine einzige Triumphfanfare. »Das war ein wundervoller Tag, Susan. Ruth sieht ganz verändert aus, du wirst staunen. Sie hat ja so wunderschönes Haar.«
»Gratuliere. Du hast also gewonnen — für den Augenblick wenigstens. Natürlich wird ihr Haar wieder nachwachsen.«
»Nicht, wenn ich es verhindern kann. Was sollte jetzt eigentlich noch passieren können?« Das klang sehr siegessicher, aber das Schicksal soll man bekanntlich nicht herausfordern.
Zwei Tage später kam auch schon ein aufgeregter Anruf. Diesmal schien es sich um eine wirklich ernste Sache zu handeln.
»Oh, Susan! Es ist etwas Schreckliches passiert!«
»Was denn? Hat Ruth wieder Bauchweh?«
»Ach Ruth!« Ihr Ton verriet deutlich, daß Ruth im Augenblick völlig nebensächlich war. »Ihr geht es gut, soviel ich weiß. Es ist viel schlimmer — es handelt sich um Emily.«
»Hat sie auch Muscheln gegessen?«
»Susan, mir ist wirklich nicht zum Scherzen zumute. Emily ist verschwunden. Einfach weg. Seit gestern nachmittag. Sie war im Pferch unten an der Straße.«
»Aber das ist doch bestimmt kein Grund zur Aufregung«, sagte ich beschwichtigend. »Sie bleibt doch nie lange weg. Wahrscheinlich versteckt sie sich wieder einmal irgendwo.«
Wenn Emily nicht gerade Schlimmeres ausheckte, bestand ihr Hauptvergnügen darin, sich zu verstecken. Sie lauerte in einer Ecke des Kuhstalls und sprang genau in dem Augenblick aus ihrem Hinterhalt, in dem eine nervöse Färse nach langem Hin und Her endlich angekettet werden sollte. Sie lungerte im Hühnerstall umher und hielt die Hennen vom Eierlegen ab, und bei Sturm und Regen kroch sie in eine Hundehütte, während der rechtmäßige Besitzer sich zitternd vor Kälte und Wut draußen durchnässen lassen mußte.
»Nein, Susan. Ich habe überall gesucht, Sam ebenfalls. Wir haben uns fast die Kehle aus dem Hals geschrien.«
»Aber Larry, du weißt doch genau, daß sie auf kein Rufen reagiert, wenn sie sich unbedingt verstecken will.«
»Aber so lange bleibt sie nie weg«, beteuerte Larry atemlos. Auch Sam findet das
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