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Mitte der Welt

Mitte der Welt

Titel: Mitte der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Priess
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sagte ich wohl noch, nicht aber, dass ich die Tür handbreit hatte offen stehen lassen, damit mein Geliebter bei der Geldübergabe mithören könne. Monsieur Akbulut interessiert sich für ganz andere Frauen, so wie der aussieht, mit Schlips und Kragen und so weiter, das schwör ich dir! Und überhaupt, was traust du mir eigentlich zu? Was stellst du dir vor, wer ich sei? Glaubst du mir nicht, dass ich dich liebe?
    Ich bin nicht sicher, ob ich diese Frage gestellt habe oder nur gedacht. Und wie mein Geliebter darauf geantwortet hat, versuche ich mir vorzustellen. Vielleicht sagte er, ich sei zu gutgläubig und dass ich keine Ahnung hätte, wie die türkischen Männer wirklich sind.
    Wie sind sie denn, wie anders als andere, als nichttürkische Männer?, sagte ich dann sehr wahrscheinlich. Oder ich sagte: Bist du denn kein türkischer Mann? Und vermutlich haben wir dann sehr gelacht und unseren Spaß damit getrieben – Zeig mir, du herrlicher Mann, was an dir türkisch ist! Ich werd’s dir zeigen, immer wieder, so oft du willst! Und vielleicht ist es an jenem Morgen wieder hoch her- und noch einmal gut ausgegangen. Möglich aber auch, dass ich sagte: Es stimmt, ich kenne die türkischen Männer nicht, nur von außen sehe ich sie und wie sie wirken auf mich, die Frau aus Europa, die nicht zum ersten Mal in der Welt herumkommt und mit Männern in Berührung. Nein, so hätte ich es sicher nicht gesagt. So nicht.
    Nicht die Vorstellung, dass er einer nach anderen ist, war schwierig für meinen Geliebten – Ich liebe dich, so wie du bist, ganz und gar, mitsamt deiner Geschichte, mit allem, was du erlebt hast. Immer werde ich dich lieben, auch wenn du alt und schrumpelig bist! – Unerträglich jedoch für ihn war, dass es nach ihm andere geben könnte.
    Möglich auch, dass an jenem Morgen die Eifersucht einmal mehr ihren Aberwitz mit uns trieb; was schade wäre um die Liebe, denn die Liebe mit meinem Geliebten war köstlich und einzigartig zu jener Zeit; obwohl oder vielleicht sogar weil er die Liebe für absolut nahm, mitsamt totalem Besitzanspruch.
    Mag sein, dies ist, vielleicht, türkisch an ihm – falls Eifersucht und Besitzanspruch »türkisch« sind. Aber: Daran ging unsere Liebe nicht zugrunde, nicht an diesem seinem »Türkischsein«, sondern, glaube ich, an der Liebe selbst, die eben doch sterblich ist; nur in der Erinnerung ewig – oder in Geschichten, falls sie gelingen.
    Von Monsieur Akbulut wäre, außer dass ihn, wie gesagt, mein Geld interessierte, noch zu berichten, dass auch er typisch »türkisch« ist insofern, als er immer und immer wieder in Nebensätze geschickt einflicht, wie sehr er Europa schätze um der »Zivilisiertheit« willen. Nicht mit plumper Hochloberei tut er es, sondern indem er sich selbst auf den arroganten Eurogaul mitsetzt und von dort herab die türkischen Eseleien indigniert betrachtet. Madame, diese Unordnung überall, die Unregelmäßigkeiten, ich bitte Sie! Und immerzu brauchen Sie Bakschisch und Beziehungen, nichts funktioniert von selbst, und die Korruption, ich bitte Sie, Madame, wo gibt’s denn so was! –
    Dass Korruption in Europa und anderswo mindestens ebenso blüht, müssten Sie, der Sie in Frankreich studiert und gelebt haben, doch wissen.
    Aber dass Sie auf Schritt und Tritt drüber stolpern, Madame, dieses Chaos, das seine Kinder gebiert und frisst, ich bitte Sie, von einem zivilisierten Standpunkt aus betrachtet, ist es schlicht dégoûtant !
    Monsieur Akbulut zieht sein Taschentuch hervor und wischt sich den Schweiß von der Stirn, ärgerlich, dass er sich zu so viel Emphase hat hinreißen lassen; eigentlich möge er darüber gar nicht mehr sprechen.
    Ich versuche ein paar versöhnliche Worte, zum Beispiel, dass ich gerne in diesem Land lebe, oder, durchs Fenster hinausschauend, wie einmalig schön Istanbul doch sei. Und denke: Wenn du wüsstest, dass ich um eben dieses Chaos willen hier lebe, tausendmal lieber als irgendwo sonst!
    Nun lächelt er, auch er versöhnlich. Und wahrscheinlich denkt auch er: Die versteht nicht, worum es geht, sie weiß nicht, was hier wirklich los ist.
    Mag sein, ich weiß es wirklich nicht.

LEYLA ODER FATMA
    War es diese Leyla, oder war’s eine andere, die mir Namen aufschrieb von namhaften kurdischen Intellektuellen und künstlerisch Schaffenden?
    Sechs Männernamen und fünf von Frauen, je zusammengefasst durch kurdish women- und kurdish men- Klammern, und hinter jeden schrieb sie, wofür sie oder er einen Namen hat:

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